Forum Bioethik Sloterdijk

Vision vom neuen Menschen
Zum Stand der Sloterdijk-Debatte - Wie Philosophen die Gen-Technik sehen
(aus: Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 9.10.1999)

Die Sloterdijk- Debatte hat auf dem Philosophen-Kongreß in Konstanz eine neue Dimension erhalten. Indirekt geben etliche Teilnehmer Sloterdijk, der durch seine These von der biochemischen Auslese des Menschen Aufsehen erregt hatte, 
Rückendeckung.

Am weitesten ging dabei der Düsseldorfer Medizin-Ethiker Prof. Dieter Birnbacher. Er sprach sich für eine „Freigabe genetischer Selektionen und Abtreibungen bis zur Geburt aus. Die reproduktive Selbstbestimmung der Eltern müsse ausgeweitet werden“, aus ethischer Sicht seien ungeborene Kinder nicht schutzbedürftig.
Und der Essener Moralphilosph Bernd Gräfrath plädierte zum Abschluss des Kongresses für eine „Vielfalt von Fortpflanzungstechniken“. Im Zeitalter des Homunculus werde die ehe immer weniger als eine Liebesbeziehung und immer mehr als eine Produktionsgemeinschaft betrachtet werden.“
Starker Tobak, der Öl auch ins Feuer des Streits um den Ausstieg der katholischen Kirche aus der Schwangerschaftsberatung gießen dürfte. Auffällig in Konstanz war außerdem, dass die Argumente der christlichen Kirchen gegen vorgeburtliche Selektion kaum eine Rolle spielten. Im Gegenteil, der Rostocker Philosoph, Christian Thier sagte klipp und klar: „Solange wir keinen Gottesbeweis führen können, läßt sich darauf auch keine universelle Moral begründen.“
Steht die Menschheit, bedingt durch den Fortschritt der Biochemie, vor einer moralischen Wende? Setzt die Möglichkeit der identischen Verdoppelung des Menschen durch Klonen das alte Koordinatensystem humanistischer Werte außer Kraft? Dies nicht nur beim Namen genannt, sondern als Ideal eines künftigen „Menschenparks“ proklamiert zu haben, das vor allem werfen die Kritiker Sloterdijk vor, der zugleich das Ende der Kritischen Theorie Adornos und Horkheimer erklärt hatte, die ja dem Humanismus eine marxistische Prägung  - gegen die Vereinnahmung des Menschen durch die Übermacht des Kapitals zu geben versucht hatten.
Mit anderen Worten, Peter Sloterdijk, der Vordenker eines neuen „postmodernen“ Rationalismus hat im Grunde den Abschied von einer metaphysischen Weltdeutung verkündet. Er beruft sich dabei auf Frierich Nietzsche und dessen essayistischer Dichtung „Also sprach Zarathustra“ sowie den Existenzphilosphen Martin Heidegger und dessen berühmten Brief „Über den Humanismus“. 
Dazu muß man wissen: Beide Werke werden von der Fachwissenschaft ideengeschichtlich als fragwürdig eingestuft. Bei Nietzsche ist es die hysterische Vergötzung des Übermenschen, die den Nationalsozialismus in fatalem Missverständnis eine Begründung ihrer Rassentheorie leitete. Bei Heidegger, der sich nie von einer Näher zum Hitler-Regime distanziert hat, ist es die radikale Absage an jedweden Humanismus, weil dieser das wahre Sein des Menschen ideologisch verdunkele.
Inzwischen hat der Streit um Sloterdijk einen Siedepunkt erreicht, der sogar das Wort vom Kulturkampf auf den Plan rief. In der Tat geht es nicht mehr nur um Gen-Technik, es geht nach dem Historikerstreit und der von Martin Walser ausgelösten Umgang Debatte über den Umgang mit der deutschen Schuld um die geistigen Grundlagen der Republik. Da ist es wenig hilfreich, wenn man den Kritikern von Sloterdijks faschistisch getränkten Zukunftsvisionen, wie es Antje Vollmer von den Grünen getan hat, pauschal als unverbesserlich linke Gewissenswächter abstempelt.
Wer, wenn nicht die Weisen im Land, sollten der Nation ethische Maßstäbe geben, für das, was technisch machbar ist?
Wenigstens eine Stimme hierzu sei abschließend zitiert. Der Münchener Philosoph, Robert Spaemann hatin seinem Buch „Personen“ überzeugend dargelegt. Die Materie, den Leib eines Lebewesens mag man klonen können, die unaustauschbare Individualität des Menschen nicht. Hans Jansen.
 
 

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