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Stuttgarter Nachrichten vom 20.02.2003
 
 

Schröders Ethikrat bringt den Bundestag in Zugzwang

Parlament setzt Enquetekommission ein, in der mehr Skeptiker als
Befürworter sitzen

Berlin - Nach der Entscheidung zur Stammzellforschung im vergangenen
Jahr wendet sich der Bundestag einer neuen Debatte über die Bio-Politik
zu. Dabei zeichnet sich eine breite Front für ein generelles Klonverbot
ab. Zudem setzt das Parlament wieder eine Enquetekommission "Recht und
Ethik in der modernen Medizin" ein.

VON GUNTHER HARTWIG

Berliner Redaktion

SPD, Grüne und CDU/CSU haben sich im Vorfeld der heutigen Beratung auf
einen gemeinsamen Antrag verständigt, der alle Formen des Klonens als
"unvereinbar mit der universell gültigen Menschenwürde" ablehnt und ein
weltweites Verbot anstrebt. Die FDP legt eine eigene Entschließung vor,
weil sie nur gegen das "reproduktive Klonen" ist, "therapeutisches
Klonen" aber zulassen will.

Freilich müssen sich die Parlamentarier in den nächsten Monaten auch
noch mit anderen Problemen der Biomedizin auseinander setzen. In der
vergangenen Wahlperiode hatte sich der Bundestag noch nicht zu einem
endgültigen Votum zur Präimplantationsdiagnostik (PID) durchringen
können. Nachdem kürzlich der von Bundeskanzler Gerhard Schröder
eingesetzte Nationale Ethikrat die eingeschränkte PID-Zulassung
empfohlen hatte, steht der Bundestag unter Zugzwang.

Wie schon im Fall der Stammzellforschung wollen sich die Fraktionen von
einer aus je 13 Abgeordneten und externen Fachleuten formierten
Enquetekommission beraten lassen. Deren Einsetzung soll am Donnerstag
gegen den Willen der FDP beschlossen werden. Und es ist kein Geheimnis,
dass die Kommission ein Widerlager zu Schröders Ethikrat bilden wird.
Während die Experten des Kanzlers einen vorsichtig liberalen Kurs in der
Bioethik befürworten, werden in der Bundestags-Enquete eher die
Skeptiker einer allzu forschungs- und industriefreundlichen Linie in der
Mehrheit sein.

Da die Entscheidungen über notwendige Gesetze im Parlament wieder ohne
Fraktionszwang fallen dürften, ist die Zusammensetzung der Kommission
bereits prägend für die Willensbildung im Bundestag. Der Vorsitz steht
erneut der SPD zu. Um diesen Posten konkurrieren mit dem Arzt Wolfgang
Wodarg, dem Diplombiologen Rene Röspel und der promovierten
Biotechnologin Carola Reimann gleich drei Bewerber miteinander. Wodarg
und Röspel gelten als strikte Klongegner, die niedersächsische Genossin
stimmt eher mit Forschungsministerin Edelgard Bulmahn und dem Kanzler
überein, die sich beide in der Vergangenheit wenigstens für die
Zulassung des "therapeutischen Klonens" ausgesprochen haben.

In der Union kam als Obmann Thomas Rachel zum Zuge, ein Befürworter der
Präimplantationsdiagnostik. Dafür tritt mit CDU-Mann Hubert Hüppe ein
bedingungsloser Gegner jeglicher Embryonenforschung als
stellvertretender Kommissions-Vorsitzender an. Auch die von den Grünen
als Enquete-Mitglied nominierte Christa Nickels lehnt jede Ausweitung
der medizinischen Gentechnik ab und befindet sich im Einklang zum
Beispiel mit dem Vorsitzenden des Marburger Bundes, Frank Ulrich
Montgomery, der vor den Risiken einer "Salamiethik" warnte, die Stück
für Stück ihre bisherigen Positionen preisgibt.

Viel Zeit wird sich der Bundestag nicht nehmen können. Zum einen laufen
auf internationaler Ebene seit längerem Verhandlungen über ein
weltweites Klonverbot, die 2002 nicht zuletzt am Einspruch der
Bundesrepublik scheiterten. Allerdings räumen Diplomaten einer
Uno-Deklaration, die sowohl reproduktives wie auch therapeutisches
Klonen ächtet, kaum Chancen ein.

Zum Thema PID muss sich das Parlament womöglich schon bald äußern, denn
FDP-Gesundheitsexperte Detlef Parr kündigte an, noch vor der Sommerpause
einen Gesetzentwurf zu präsentieren, der eine Zulassung unter bestimmten
Auflagen vorsieht. Dagegen gibt es massiven Widerstand bei Union und
Grünen sowie Teilen der SPD.

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