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Der Tagesspiegel 20.02.2003

Nicht identisch 

Der Bundestag will ein strengeres Klonverbot als die Regierung

Von Markus Feldenkirchen

Die Biopolitik rückt in die Primetime. Dies sei ein Zeichen für die
große Bedeutung des Themas, freuen sich die Fachpolitiker aller
Fraktionen, die am heutigen Donnerstag ab neun Uhr im Bundestag über ein
internationales Klonverbot und die Einrichtung einer zweiten
Enquetekommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" beraten. Zur
besten Plenumszeit also wird man beobachten können, dass die
Konfliktlinien bei den ethischen Fragen der Biopolitik quer durch die
Fraktionen verlaufen. 

So geht der Antrag, die Bundesregierung in den internationalen
Verhandlungen auf ein umfassendes Klonverbot zu verpflichten, auf eine
Initiative von Union, SPD und Grünen zurück. Wenn der Bundestag dieser
Aufforderung - wie zu erwarten - zustimmt, muss die Regierung einen
Strategiewechsel vollziehen. Bislang verfolgten die deutschen
UN-Diplomaten in New York eine zweiteilige Strategie: Zunächst sollte
nur das reproduktive Klonen verboten werden, um dubiosen
Wissenschaftlern wie der Raelianer-Sekte, die bereits das erste Klonbaby
geschaffen haben wollen, das Handwerk zu legen. Erst in einem zweiten
Schritt sollte auf UN-Ebene auch über das therapeutische Klonen
verhandelt werden. Nun soll Deutschland also auf eine Konvention
hinwirken, die beide Klonformen auf einmal verbietet - eine Strategie,
die einige Abgeordnete und das Auswärtige Amt für "nicht durchsetzbar"
halten, weil viele Staaten das therapeutische Klonen bereits erlauben.
So betont der Außen-Staatssekretär Jürgen Chrobog, realistisch sei
zunächst nur ein Verbot des reproduktiven Klonens. 

Auch die Einrichtung einer zweiten Enquetekommission zur Bioethik war
lange Zeit umstritten. Inzwischen aber rechnet man fest mit einer
Neuauflage. Im Gegensatz zur ersten Kommission, die sich insbesondere
mit Fragen zum Anfang des Lebens, etwa der Präimplantationsdiagnostik
(PID), befasste, soll sich die neue Kommission vor allem mit der Wahrung
der Menschenwürde am Lebensende beschäftigen. Auf der Agenda stünden
unter anderem die Sterbehilfe und -begleitung, sagt der Unionssprecher
in der Kommission, Thomas Rachel. Rachels Berufung hatte zu Wochenbeginn
Spekulationen genährt, die Union vollziehe damit einen Kurswechsel in
der Genpolitik. Anders als die Mehrheit der Fraktion spricht sich Rachel
für die Einführung der PID aus. Fraktionschefin Angela Merkel betonte in
der Fraktionssitzung am Dienstag aber: "Es gibt keine Wende in der
Biopolitik."

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