Forum Bioethik Information zu GATS / Mai 2002

aus: Sand im Getriebe
 Internationaler deutschsprachiger Rundbrief der Attac-Bewegung
 Ausgabe 11/2002 (29. Mai 2002)
 

Der Inhalt

1. Was ist das GATS. Stellungsnahme von Attac- Österreich. Das
Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services: GATS) ist eine der zentralen Säulen
der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation WTO. Der Dienstleistungssektor macht in den Industrieländern bereits zwei Drittel der Wi rtschaftsleistung aus, entspre c h e n d groß ist das
Interesse der führenden Konzerne an einer weltweiten Liberalisierung
(und Privatisierung) von Bank- und Versicherungsgeschäften,
Telekommunikation, Post, Strom, Gas, Wasser, Transport, Tourismus,
Medien, Bildung, Gesundheitswesen und weiteren 150 im GATS
aufgelisteten Dienstleistungen.Was ist GATS.

 1 Was ist das GATS?
 Stellungsnahme von Attac- Österreich
 Dr. Josef Mayer, Mag. Gelge Plank

> Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General
> Agreement on Trade in Servi-ces: GATS) ist eine der zentralen Säulen
> der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation WTO. Der
> Dienstleistungssektor macht in den Industrieländern bereits zwei
> Drittel der Wi rtschaftsleistung aus, entspre c h e n d groß ist das
> Interesse der führenden Konzerne an einer weltweiten Liberalisierung
> (und Privatisierung) von Bank- und Versicherungsgeschäften,
> Telekommunikation, Post, Strom, Gas, Wasser, Transport, Tourismus,
> Medien, Bildung, Gesundheitswesen und weiteren 150 im GATS
> aufgelisteten Dienstleistungen.Was ist GATS.

> Das GATS umfasst vier Varianten grenzüberschreitender Dienstleistungen:
> 1. Die Dienstleistung kommt über die Grenze (Handel);
> 2. Die KonsumentIn geht über die Grenze (Konsum im Ausland);
> 3. Die DienstleisterIn kommt über die Grenze (Erbringung im Ausland;
> 4. Die DienstleistungsanbieterIn lässt sich im Ausland nieder
>  (Direktinvestition).
>
> Aufgrund dieses letzten Punktes wurde das GATS schon als das erste
> internationale Investitions-schutzabkommen bezeichnet. Formal gesehen
> sind die zentralen Grundprinzipien des GATS Meistbe-günstigung (keine
> ausländische AnbieterIn darf schlechter gestellt werden als eine
> andere) sowie Marktzugang (Art. XVI) und Inländerbehandlung (Art.
> XVII): Ausländische DienstleistungsanbieterInnen dürfen nicht
> schlechter gestellt werden als inländi-sche. Ein verdeckt enthaltenes
> Grundprinzip ist die Zurückdrängung des öffentlichen Bereiches
> zugun-sten privater ErbringerInnen. Seit Anfang 2000 laufen die so
> genannten GATS 2000-Verhandlungen, die eine Vertiefung der 1995
> begonnenen Dienstleistungsliberalisierung zum Ziel haben. Bis Juni
> 2002 müssen alle WTO-Mitglieder in der so genannten "request-Phase"
> die jeweils andern dazu auffordern, bestimmte Dienstleistungss e k t o
> ren für ausländische MitbieterInnen zu öffnen und bis März 2003 in der
> "offer-Phase" all jene Bereiche benennen, die sie selbst
> liberalisieren werden. Die Verhandlungen finden unter Ausschluss der
> Öffent-lichkeit statt. Das ist umso brisanter, als einmal
> ein-gegangene Liberalisierungsverpflichtungen im Sinne des
> InvestorInnenenschutzes nicht rückgängig gemacht werden können.
> Außerdem verpflichten sich die GATS-UnterzeichnerInnen zur permanenten
> Weiter-liberalisierung nicht nur in den bereits geöffneten S e k t o
> ren, sondern auch in den bislang "verschonten". GATS bedroht die
> Demokratie
>
> Nationalstaaten, Länder und Gemeinden regulieren mit Gesetzen die von
> privaten erbrachten Dienstlei-stungen, um nicht-ökonomische Ziele wie
> Umwelt-schutz, Arbeitsplatzsicherheit oder Regionalpolitik zu
> verfolgen. Es findet politische Gestaltung des Wirtschaftsgeschehens
> im Sinne eines Ausgleichs zwischen privatwirtschaftlichen und
> öffentlichen Interessen statt. Das Problem des GATS: Viele dieser
> öffentlichen Regulierungen können als "Handelshindernisse" angesehen
> und beim Schiedsgericht der WTO angefochten werden. Beispielsweise
> benachteiligt die Förderung der Nahversorgung ausländische
> AnbieterInnen, das wäre das a aus jeder Regionalpolitik. Oder: Die
> Beschränkung der Zahl von Hotels oder Skiliften in einer sensiblen
> Gletscherregion benachteiligt ausländische Interes-sentInnen gegenüber
> inländischen Betreibergesell-schaften, die schon zum Zug gekommen
> sind. In diesen Fällen kann zwar ein Nationalstaat politische Ziele
> wie Umweltschutz geltend machen, muss dann aber seine Regulierung
> einem "Notwendigkeitstest" unterziehen, das heißt, die
> Umwelt-schutzmaßnahme wird geprüft, ob sie die am wenigsten
> handelshemmende aller denkbaren ist. Wenn nicht, kann der
> Nationalstaat vom Schieds-gericht der WTO gezwungen werden, das Gesetz
> aufzuheben. Damit wird der demokratische Prozess durch WTO-Urteile
> ersetzt, die noch höherrangig sind als das demokratisch ohnehin schon
> schwach legitimierte EU-Recht. Die Konsequenzen des GATS sind kaum
> absehbar. So meinte der ehemalige Direktor der WTO Renato Ruggiero:
> "Das Dienstlei-stungsabkommen GATS umfasst Bereiche, die noch nie
> zuvor als Handelspolitik angesehen wurden. Ich vermute, dass weder die
> Regierungen noch die Geschäftswelt die volle Reichweite und den Wert
> der eingegangen Verpflichtungen erkannt haben." Öffentliche Dienste in
> Gefahr
>
> Unter "öffentlichen Diensten" (engl. public services) versteht man
> soziale Absicherungs- und Grundver-sorgungsbereiche wie Kranken- und
> Pensionsversicherung, Bildungssystem, öffentlicher Verkehr,
> Was-serversorgung, Strom, Telefon und Post. Diese Grundinfrastruktur,
> die wir alle jeden Tag benötigen, wird üblicherweise durch öffentliche
> Monopole auf solidarische Weise zur Verfügung gestellt. Alle Menschen
> haben Zugang, Gewinne werden nicht erwirtschaftet, der Markt bleibt
> draußen. Das könnte durch das GATS schon bald Vergangenheit sein.
> Post, Strom und Telekom werden bereits liberalisiert, und in den USA
> und in England sind sämtliche der aufgezählten Bereiche zumindest
> teilprivatisiert. Das Problem: Durch die Privatisierung drohen die
> public services teurer zu werden, der universale Zugang für alle
> Menschen würde verloren gehen, und die Qualität der Dienstleistungen
> droht ebenfalls abzunehmen. Darauf lassen zumindest eine Reihe
> internationaler Erfahrungen schließen (siehe unten). Das
> WTO-Sekretariat versucht zwar zu beruhigen: public services seien vom
> GATS ausgenommen. Doch der GATS-Text sieht eine Ausnahme öffent-licher
> Dienste nur dann vor, wenn diese weder "im Wettbewerb" (in
> competition) mit anderen AnbieterInnen noch "auf kommerzieller Basis"
> (on a commercial basis) erbracht werden. Beides ist bestenfalls
> unklar: Stehen öffentliche Universitäten oder Spitäler etwa nicht mit
> privaten im Wettbewerb? Sind Studiengebühren, Rezeptgebühren und
> Zugtickets nicht etwa eine "kommerzielle Basis"? Fast wie eine Antwort
> ist im April 2002 die geheime Position der EU-Kommission
> durchgesickert, in der sie andere WTO-Mitglieder dazu auffordert, die
> Wasserversorgung, den Energiebereich, Abfallbehandlung, Teilbereiche
> des Transports, Umweltschutzleistungen und die Postdienste zu
> liberalisieren. Darüber hinaus haben die USA haben Interesse an der
> Liberalisierung des Bildungssektors angemeldet, und die privaten
> US-Krankernversicherer beschweren sich bereits über den "schwierigen
> Marktzugang" im Ausland. Damit sind so gut wie alle öffentlichen
> Dienste potentielle GATS-Objekte.

 http://www.attac-netzwerk.de/rundbriefe/sandimgetriebe11_02.pdf

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