Forum Bioethik

WDR 5 - Morgenecho / Sendung vom 28. 01. 2002 

Keine Kompromisse beim Import embryonaler Stammzellen -  zur Entscheidung des Bundestages am 30. Januar

Joachim Kardinal Meisner (Kölner Erzbischof) gegen Stammzellen- Import

In scharfer Form hat der Kölner Erzbischof Kardinal Meisner davor 
gewarnt, die Einfuhr embryonaler Stammzellen zuzulassen. Die 
Entscheidung über diese Frage soll am Mittwoch vom Deutschen  Bundestag
getroffen werden. "Man darf nicht heilen durch Töten",  unterstrich der
Kardinal im Westdeutschen Rundfunk. Meisner  wörtlich weiter: "Mit
dieser so genannten Ethik des Heilens  verschleiert man nur eine neue
Form der Barbarei." Den  Befürwortern des Imports hielt er entgegen,
Heilungsversprechen  zu machen, die in Wirklichkeit nur vage Hoffnungen
seien.  Enttäuscht zeigte sich der Kardinal über die Empfehlung des 
Nationalen Ethik-Rats, die Einfuhr embryonaler Stammzellen zu  erlauben.
Bei der Zusammensetzung des Rats sei dieses Ergebnis  allerdings zu
erwarten gewesen. Die katholische Kirche nehme in  der Stammzellen-Frage
die gleiche Position ein wie die Grünen.  Auch in anderen ethischen
Fragen gibt es laut Meisner  Berührungspunkte zwischen beiden Kräften.

Hier das Gespräch mit Joachim Meisner:

Moderatorin: Embryonale Stammzellen sind die Hoffnungsträger  der
Forschung. Sie können sich nämlich in alle möglichen  Körperzellen
verwandeln. Wenn zum Beispiel Herzgewebe zerstört  wurde, sind sie
möglicherweise in der Lage, es wieder aufzubauen.  Doch zunächst einmal
müssen die rechtlichen Grundlagen für  diese Forschung klar sein. Der
Bundestag entscheidet am  Mittwoch darüber, ob der Import embryonaler
Stammzellen erlaubt  werden soll. Quer durch alle politischen Parteien
und  gesellschaftlichen Gruppen gibt es ethische Bedenken. Auch der 
Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner hat Einwände. - Guten 
Morgen, Herr Kardinal.

Joachim Meisner: Ja, guten Morgen, Frau Denninghoff.

Moderatorin: Warum sind Sie gegen den Import embryonaler  Stammzellen?

Joachim Meisner: Die embryonalen Stammzellen sind das  Ergebnis der
Tötung eines embryonalen Menschen. Und man darf  nicht heilen durch
Tötung. Das ist ein Widerspruch in sich selbst.  Bislang ist es völlig
unbewiesen, ob mit Hilfe der  Stammzellenforschung überhaupt Krankheiten
geheilt werden  können. Die ganze Diskussion dreht sich um eine vage
Hoffnung,  die immer wieder als Fortschritt bezeichnet wird. Mit dieser
so  genannten Ethik des Heilens, die hier immer wieder vorgeschoben 
wird, verschleiert man nur eine neue Form - das muss ich mal so  sagen -
der Barbarei. Unabhängig davon ist es natürlich sehr zu  begrüßen, wenn
Wissenschaft und Forschung neue Möglichkeiten  entdecken, vorausgesetzt,
die ethischen Grenzen werden  respektiert.

Moderatorin: Nun gibt es ja aber in allen Parteien Vertreter, die  diese
ethischen Bedenken auch haben, aber trotzdem für einen  Import
embryonaler Stammzellen sind. Zum Beispiel war Jürgen  Rüttgers, der
nordrhein-westfälische CDU-Chef früher strikt  dagegen, mittlerweile
sagt er "nein"" ich habe zwar eine christliche  Gesinnung, ich will
menschliches Leben schützen, aber an den  Embryonen soll geforscht
werden, weil die ja sowieso todgeweiht  sind.

Joachim Meisner: Also, das ist eine Logik, die gar nicht so  einsehbar
ist. Wenn die Überzähligkeit von Embryonen ausreicht  oder ein Argument
für die Tötung eines Menschen wird, dann kann  jedes andere Argument
ebenfalls genannt werden. Wir können  nicht von den Früchten eines
Unrechts gleichsam leben. Das ist  ein großer Fehlschluss. Und ich muss
hier immer wieder warnen,  das würde dann auch wirklich einen Dammbruch
zur Folge haben.

Moderatorin: Aber darf man denn schwer kranken Menschen die  Hoffnung
auf Heilung nehmen?

Joachim Meisner: Sehen Sie mal, wir sind eigentlich eine  Gesellschaft,
wo man schon sagen muss, die geprägt ist von einer  Kultur des Todes.
Wir werden ja bald aussterben" denn geradezu in  den neuen Bundesländern
ist der Geburtenrückgang so  katastrophal, und unsere ganze Energie wird
auf das Ende des  Lebens verlagert. Der Mensch soll immer älter werden.
Und junges  Leben, neues, unverbrauchtes Leben lassen wir gar nicht in
das  Leben eintreten. Das wird getötet, um altes Leben zu reparieren.

Moderatorin: Aber diese Embryonen sind ja noch gar kein neuer  Mensch.
Da könnte sich auch kein neuer Mensch mehr daraus  entwickeln.

Joachim Meisner: Also, da muss ich Ihnen ganz schlicht sagen:  Es ist
seit Jahrzehnten wissenschaftlich unstreitig, dass von der  Befruchtung
der Eizelle an ein höchst individueller,  unverwechselbarer Mensch sich
entwickelt. Die Embryonen  entwickeln sich nicht zum Menschen, sondern
als Mensch. Es gibt  nach diesem Zeitpunkt aus wissenschaftlicher Sicht
keine  eigentliche Grenze mehr, sondern nur noch Grenzen, die von 
bestimmten Interessen gesetzt werden. Und ein Interesse ist heute 
übermächtig, nämlich das Interesse der lebenden, erwachsenen  Menschen
an der Erhaltung ihrer Gesundheit. In diesem Interesse  scheinen heute
die letzten Schranken zu fallen.

Moderatorin: Herr Kardinal Meisner, bedeutet das denn, dass zum 
Beispiel der Nationale Ethik-Rat, den ja der Bundeskanzler  eingesetzt
hat und der sich mehrheitlich für einen Import  aussprach, die Würde des
Menschen außer Acht lässt?

Joachim Meisner: Zumindest sieht er sie nicht in der richtigen  Weise.
Also, ich muss Ihnen ganz schlicht so sagen, das war  vorauszusehen -
das muss ich Ihnen ehrlich sagen - an der  Auswahl der Mitglieder, dass
ein solches Ergebnis herauskommt.

Moderatorin: Aber ist es denn redlicher, Patienten ins Ausland zu 
schicken, die dann vielleicht mit Heilungsmethoden behandelt  werden,
deren Erforschung wir in Deutschland verbieten?

Joachim Meisner: Also, sagen wir mal, welche Patienten wollen wir  ins
Ausland schicken? Welche Heilungschancen hat das Ausland,  die wir nicht
haben?

Moderatorin: Na möglicherweise, wenn diese Forschung  funktioniert und
man mit embryonalen Stammzellen heilen kann.

Joachim Meisner: Aber das heißt möglicherweise. Ich habe Ihnen  gerade
vorhin gesagt, dass ist überhaupt nicht ausgemacht. Und  ich kann nicht
für irgend welche vagen Hoffnungen Kinder töten,  embryonale Menschen
umbringen, um irgend welche andere  Hoffnungen, die noch gar nicht
feststehen, zu erfüllen. Umgekehrt  müsste man sagen, und da sind wir in
der Bundesrepublik  Deutschland sehr weit, dass die Forschung an
adulten  Stammzellen sehr, sehr weit gediehen ist. Und dass wir 
wahrscheinlich die Nase vor anderen europäischen Ländern weit  voran
haben. Und man sollte erst mal abwarten, was wir hieraus an 
Heilungsmöglichkeiten und Chancen haben, ehe wir embryonale  Menschen
umbringen.

Moderatorin: Ihre Ansicht vertreten zum großen Teil auch die  Grünen und
auch die PDS. Sie sind gegen einen Import von  Stammzellen. Ist das
nicht ein bisschen kurios, dass die Kirche  ausgerechnet mit den Grünen
und der PDS eine Koalition in dieser  Frage bildet?

Joachim Meisner: Also, ich finde das sehr interessant und vielleicht 
könnte man noch auf anderen Gebieten Koalition haben. Ich habe  die
Koalition mit den Grünen schon gepflegt in der ganzen  damaligen Debatte
um die Hirntod-Frage. Und ich bin schon der  Meinung, dass wir uns in
vielen Punkten schon angenähert haben.  Und es gibt viele Grüne, die
sagen, eigentlich hat unser Einsatz in  dieser Frage auch Rückwirkungen
nämlich für die Abtreibungs- Frage. Und dann würden wir uns noch näher
kommen.

Moderatorin: Ich danke Ihnen. - Der Kölner Erzbischof Kardinal  Joachim
Meisner zur Diskussion über den Import embryonaler  Stammzellen.

 WDR 5 - Morgenecho / Sendung vom 28. 01. 2002  Moderation: Cordula
Denninghoff
(Info: Büro Hüppe)
 
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