Schriftenreihe des "Freundeskreises Fritz Bauer"
Texte über den ehemaligen Generalstaatsanwalt in Braunschweig und Frankfurt am Main
Fritz Bauer (1903- 1968)

Heft 6:

Braunschweiger Texte zu lokalen Themen
von NS-Geschichte und Antisemitismus

 

1. Die Geschichte von der Rattenlinie
2. "Wo man Bücher verbrennt..."
3. Linker Antisemitismus
4. "Israel will alles, nur keinen Frieden..."

 

1. "Die Geschichte von der Rattenlinie"
Zum Vortrag von Eckhard Schimpf
am 25.August 2011 im Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte an der TU

Es war ein bemerkenswerter Vortrag von Eckhard Schimpf, wobei mit der "Rattenlinie"  die Fluchtlinie für NS-Leute aus Italien über Genua nach Argentinien gemeint war. Tausende von SS- und SA-Angehörigen konnten hier mit Hilfe der katholischen Kirche, insbesondere des Vatikans, der Verfolgung entkommen, darunter auch Personen wie Eichmann, Mengele, Klaus Barbie und viele andere.

Im Mittelpunkt des Vortrags stand die Flucht des obersten Nazis in Braunschweig, Berthold Heilig, über die Rattenlinie nach Argentinien. Er war von März 1944 - April 45 Kreisleiter der NSDAP in Braunschweig und hatte insbesondere in den letzten Kriegstagen eine Blutspur in der Stadt hinterlassen. 1947 war er von einem deutschen Gericht zum Tode verurteilt worden. Am 10.Dez.1948 (ausgerechnet an dem Tag, an dem die Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen stattfand) gelang ihm eine abenteuerliche Flucht aus dem Wolfenbütteler Gefängnis. Danach verlor sich seine Spur...

Eckhard Schimpf - ansonsten auch bekannt als Rennfahrer - begann 1995 zu recherchieren, und zwar 10 Jahre lang. Er kam zu erstaunlichen Ergebnissen, die er dann 2005 in seinem Buch "Heilig. Die Flucht des Braunschweiger Naziführers auf der Vatikan-Route nach Südamerika" vorstellte.

Die Dinge, die er dort beschreibt, sind zum Teil erschütternd, insbesondere die Beschreibung der letzten Kriegstage in Braunschweig vom 10.-12.April 1945, die Schimpf als 7jähriger miterlebt hat. Heilig wollte noch am 11.April Braunschweig zur Festung erklären, als schon die Verhandlungen mit den Amerikanern am Stichkanal in Salzgitter liefen. Dann wäre von Braunschweig nicht mehr viel übrig geblieben.

Eckhard Schimpf ist noch jetzt die Betroffenheit über die damaligen Ereignisse anzumerken, insbesondere auch das Kindheitserlebnis, diesen brutalen Menschen durch einen Zufall 1944 im eigenen Garten erlebt zu haben. Dabei gab es eine Situation, die er sein Leben nie vergaß - und die schließlich der Anstoß zu seinen Recherchen wurde.

Berthold Heilig, seit März 1944 als Kreisleiter der NSDAP der oberste Nazi in Braunschweig, wollte ausgerechnet in das Haus in der Ferdinandstraße 4 einziehen, in das kurze Zeit später die Familie Schimpf einzog. Heiligs Frau hatte sich dann aber wegen der zentralen Stadtlage und der Gefährdung durch Bombenangriffe dagegen entschieden. Heilig hatte aber noch einen Hausschlüssel und stand plötzlich im Garten. Ein Schmetterling setzte sich auf seine Uniform - Heilig strich ihn mit der Hand weg, der Schmetterling fiel auf den Boden und wurde dort mit den gewichsten Stiefeln von Heilig zertreten.

Die Erinnerung an diese Situation ließ Schimpf nicht mehr los, und er begann 50 Jahre später zu recherchieren. Was er dabei zu Tage förderte, ist abenteuerlich und zum Teil sehr intim. Er erfuhr von Zeitzeugen, wie nach der Verurteilung zum Tode der Ausbruch aus der Todeszelle im Gefängnis von Wolfenbüttel geplant und durchgeführt wurde (von ehemaligen SA-Leuten und seiner früheren Sekretärin, die dann mit einem britischen Sergeanten liiert war); wie er dann über das Netz der "Stillen Hilfe" nach München und Tegernsee kam; wie er als Mönch verkleidet einige Monate in einem Kloster in den Alpen bei Brixen unterkam; wie er dann über das Netzwerk des Bischofs Hudal nach Rom kam und dort über ein Jahr (zusammen auch mit Eichmann und Mengele) lebte ("Die katholische Kirche hat stets alle unterstützt, die in Not sind", wird Eckhard Schimpf bei seinen dortigen Recherchen hören.)und schließlich die Papiere und das Geld für das Schiff nach Argentinien erhielt und  zunächst bei einem evangelischen Pastor in Buenos Aires unterkam.

Es ist enorm, welche Personen Eckhard Schimpf bei seinen Recherchen kennenlernt und die - manchmal erst nach mehreren Versuchen - bereit sind zu erzählen und selbst Einzelheiten weitergeben. Liegt es an der einnehmenden Art von ihm und seiner Persönlichkeit? Er ist offen und verspricht Vertraulichkeit - sonst hätte er wohl nicht so viel erfahren.

Heilig selber schlägt sich dann in Argentinien durch und lässt kurze Zeit auch seine Frau und die drei Töchter nachkommen. Allerdings erfolgt schon nach wenigen Monaten die Trennung. Ein Einschnitt ist, als 1960 plötzlich Eichmann vom Mossad in Argentinien entführt wird. Viele der dort lebenden SA- und SS-Leute fühlen sich nicht mehr sicher. (Anmerkung: Vielleicht hätte auch Fritz Bauer hier noch aktiver werden können, wenn er noch mehr Ressourcen gehabt hätte)  Zu weiteren Festnahmen oder Auslieferungen kam es aber nicht mehr. Heilig selber wurde Alkoholiker und stürzte sich 1978 aus dem 10.Stockwerk eines Hotels in Tucuman und stirbt.

U. Dittmann, Braunschweig

 

2. "Dort wo man Bücher verbrennt..."

Zum Vortrag von Prof Dr.h.c. Gerd Biegel über Heinrich Heine und Braunschweig am 6.Okt.2011

Dieser bekannt und finstere Satz hat eine merkwürdige Beziehung zu Braunschweig. Bekannt geworden ist der Satz ja zunächst durch die Bücherverbrennung am 10.Mai 1933 und der anschließenden Judenvernichtung im Holocaust.

Kaum jemand weiß, dass dieser Satz von Heinrich Heine stammt. Er steht dort in dem Theaterstück "Almansor", in dem es um die Liebe zwischen einem Moslem und einer christlichen Frau geht. Der junge Maure Almansor steht vor der Frage, ob er aus Liebe zu der Christin Zuleima seinen islamischen Glauben aufgeben sollte und sich an die vorherrschende christliche Kultur im Spanien nach der Reconquista assimilieren sollte. An einer Stelle des Stückes lässt der Kardinal den Koran öffentlich verbrennen. Dann heisst es: "Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende Menschen."

Weshalb nun dieser Vortrag von Gerd Biegel ausgerechnet zum 150.Geburtstag der Neueröffnung des Herzoglichen Hoftheaters?
In Braunschweig hatte es am Theater früher drei bedeutende Uraufführungen gegeben: "Emilia Galotti" (1772) von Lessing, "Almansor" (1823) von Heine und den "Urfaust" (1829) von Goethe. Gerade bei der Uraufführung des Stückes von Heine gab es einen Theaterskandal mit weitreichenden Folgen. Das Stück  "Almansor" war und blieb das erste (und einzige) Theaterstück  von Heinrich Heine, das jemals aufgeführt wurde. Bei der Uraufführung in Braunschweig hatte es solche antijüdischen Proteste gegeben, dass das Stück vorzeitig abgebrochen wurde. Heine fühlte sich so betroffen, dass er daraufhin jegliche Theateraufführung eines seiner Stücke zu Lebzeiten verbot.

Antisemitismus und geistige Enge waren schon damals in Braunschweig vorhanden - wieder mit weitreichenden Folgen, diesmal für Heine. Für Heinrich Heine war Braunschweig, obwohl er die Stadt nicht näher kannte, ein Fanal: Sie hat sein Leben verändert. Nach diesen Ereignissen fasste er den Entschluss, keine weiteren Theaterstücke mehr zu schreiben - er wurde schließlich  Dichter.

Der berühmte Satz von ihm wurde so nur einmal auf die Bühne gebracht - ausgerechnet in Braunschweig. Dann war Schluss. - Geblieben ist nur die Erinnerung an den Satz und die traurigen und erschreckenden Tatsachen des 20.Jahrhunderts. Der Appell an Toleranz war in Braunschweig verhallt. Es herrschten auch damals schon andere Kräfte in der Stadt.

Der 150. Jahrestag der Neueröffnung des Theaters kann insofern ein Anlass sein, wieder an die guten Kräfte in der Stadt zu appellieren, dass  positive geistige Impulse von der Stadt ausgehen, die mit Weltoffenheit, Toleranz und Menschenwürde zusammenhängen. Zu wünschen wäre es ja...

U. Dittmann, Braunschweig

 

3. Linker Antisemitismus in der Diskussion
Ausschluss eines Mitgliedes des Braunschweiger Friedensbündnisses vom Vortrag

Gedanken zum Vortrag über "linken Antisemitismus" während der Weimarer Republik in der TU am 11. November 2010

Am 11.11. fand im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zur Reichspogromnacht eine Veranstaltung zum Thema "Das  'jüdische Kapital' und der Faschismus - die KPD und der Antisemitismus während der Weimarer Republik" mit einem Vortrag von Olaf Kistenmacher, einem Historiker aus Hamburg, in der Technischen Universität statt.
Um es vorweg zu nehmen: Der Vortrag war ausgesprochen gut und auch sorgfältig recherchiert. Anders als der Vortrag von Thomas Haury, der vor einigen Monaten im selben Raum ebenfalls zum Thema des linken Antisemitismus sprach, war dieser Vortrag durchweg auf einem hohen Niveau.
Allerdings waren diesmal die Begleitumstände eher bedenklich. Dass ausgerechnet Helmut Käss, ein Mitglied des Friedensbündnisses und Teilnehmer des Gaza-Friedensmarsches, von den Veranstaltern im Vorfeld als Antisemit bezeichnet wurde und von dieser Veranstaltung ausgeschlossen wurde, war recht merkwürdig. Das hatten weder Herr Käss noch der Vortragende Herr Kistenmacher verdient. Organisiert wurde die Veranstaltung von der "Antifaschistischen Gruppe Braunschweig", die sich zu diesem Ausschluss entschieden hatte.

Nun ja, es ging um ein schwieriges Thema: Antisemitismus in der Linken, ein sehr kontroverses Thema. Immerhin wird dieses Thema in Deutschland seit  einigen Jahren behandelt und aufgearbeitet, nicht zuletzt seit der markanten Tagung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung im November 2004 in Berlin, in der die Thematik ausführlich behandelt wurde. Anlass war gewesen, dass man selbst in den Reihen der Gewerkschaft aktuell stärkere antisemitische Tendenzen festgestellt hatte (was ja eigentlich nicht zum Selbstbild der Gewerkschaften passt).
Der Antisemitismus im linken Spektrum war immer weniger wahrgenommen worden - war doch der rechte Antisemitismus so massiv und im Nationalsozialismus so extrem ausgeartet. Allerdings spielte der Antisemitismus auch im linken Bereich, insbesondere in der KPD, schon vor 1933 eine erhebliche Rolle. Ansonsten wird ja erst wieder ab 1967, nach dem Sechs-Tage-Krieg in Israel, von einem Umschwung der Linken gegen Israel, mit ihrer Kritik an der israelischen Politik gegen Palästina gesprochen.
Diese Israel-Kritik ab 1967 ist wahrscheinlich ohne den traditionellen, meist offenen, teils latenten Antisemitismus im linken Bereich nicht zu verstehen. Im Vortrag wurden zunächst zahlreiche Beispiele aus der damaligen Tageszeitung der KPD, der "Roten Fahne" aufgeführt. Ähnlich wie in der NSDAP wird dort vom "jüdischen Kapital" gesprochen. Ein besonders extremer Fall ist Ruth Fischer, ein bekanntes KPD-Mitglied, die - ausgerechnet selbst Jüdin - zum Beispiel auf einer KPD-Veranstaltung im Jahre 1923 mit folgenden Worten nationalistische Studenten für ihre Partei gewinnen wollte: "Wer gegen das Judenkapital aufruft, meine Herren, ist schon Klassenkämpfer. auch wenn er es nicht weiß... Tretet die Judenkapitalisten nieder, hängt sie an die Laterne, zertrampelt sie..."
Neben Ruth Fischer gab es außer einigen prominenten Vertretern wie Paul Levy oder August Thalheimer nur wenige jüdische Personen in der KPD, die als Partei insgesamt nur eine geringe Anziehung auf jüdische Wähler, seien es jüdische Arbeiter oder Intellektuelle, ausübte. Einige Juden gehörten vorübergehend zur kommunistischen Reichtagsfraktion. Die meisten von ihnen wurden während der von der Kommunistischen Internationale in Moskau dirigierten Fraktionskämpfe aus der Partei verdrängt. Im Kampf gegen die Nationalsozialisten wollte sich die KPD-Führung in jüdischen Belangen nicht zu stark exponieren.
Insbesondere in der KPD-Zeitung "Rote Fahne" häufen sich die antisemitischen Äußerungen, die z.T. sehr erschreckend sind. Eigenartigerweise wurde zudem angenommen, dass das "jüdische Kapital" hinter den Nazis stecken würde, dass Nazis und das "jüdische Kapital" zusammengehörten, eine Strategie, die in der Roten Fahne insbesondere nach 1929 verstärkt aufgenommen wurde ("Jüdischer Warenhausbesitzer finanziert Nazipropaganda", " Nazi-Spitzenkandidat schnorrt bei jüdischem Bankier" usw.).
In der Diskussion wurde auch auf die Zeit nach 45 eingegangen und erwähnt wurden die Pogrome in der Sowjetunion, der CSSR und Polen sowie die dortigen Prozesse gegen Juden. Ein besonderer Punkt war jedoch die Frage nach der Israel-Kritik: Ist auch heutige Israel-Kritik automatisch antisemitisch?
Der Referent, der 9 Jahre lang selber Führungen in dem KZ-Neuengamme durchgeführt hatte, brachte als Beispiel Jimmy Carter, der in einer aktuellen Rede die israelische Politik kritisiert hatte (zitiert wurde aus der Neuen Züricher Zeitung vom11.11.2010). Diese Kritik würde man nicht als antisemitisch empfinden, ganz anders als viele Stellungnahmen aus dem linken Lager. Es scheint einen markanten Unterschied zu geben.
Im Weiteren ging der Vortragende auf Nachfrage aus dem Publikum auf das neue provokante Buch von Moshe Zuckermann mit dem Titel "Antisemit - ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument" ein, das der Autor am 20.November in Hamburg vorstellen wird. Olaf Kistenmacher sah das neue Buch  - anders als frühere Beiträge von Zuckermann - eher kritisch. - Auf den Ausschluss eines Mitgliedes des Friedensbündnisses zu seinem Vortrag angesprochen, erinnerte Kistenmacher an den Boykott des Filmes "Warum Israel" von Claude Lanzmann im letzten Jahr in Hamburg durch eine linke Gruppe. Dass dem renommierten, international bekannten Filmemacher, der auch den Film "Holocaust" gedreht hat, so etwas ausgerechnet in Deutschland passiert, ist schon eigenartig. Nirgendwo sonst in der Welt hatte es eine solche Reaktion - zudem noch von linker Seite - gegeben. Nun gibt es nach dieser "Hamburger Posse"  jetzt auch eine entsprechende Braunschweiger Posse.

So bleibt das Thema Antisemitismus - sei es von rechts oder links - auch weiterhin präsent. Und in der heutigen Zeit wird es sich sicher immer wieder nicht zuletzt am Israel_Palästina-Konflikt entzünden. Angesichts der Vertreibungen der Palästinenser, der Zerstörung zahlreicher palästinensischer Dörfer und Städte, dem Elend in den Flüchtlingslagern, der Blockade des Gaza-Streifens, der Siedlungspolitik, die fast jede Hoffnung auf eine politische Lösung zerstört - ein nicht einfaches Thema.
Der Unterschied in der Kritik wird wohl da liegen: Ob es eine Empathie für Israel gibt oder nicht. Kritik an Israel ohne Empathie erscheint destruktiv, und in manchen, vielleicht auch in vielen Fällen scheint ein Antisemitismus mitzuschwingen, der offen oder unterschwellig ist. Möglicherweise sogar, ohne dass die Beteiligten es merken, wie z.B. in der berüchtigten Walser-Rede von 1998 in der Paulskirche, als der ganze Saal klatschte - nur einer nicht: Ignaz Bubis...

Wer weitere Informationen zum Thema "linker Antisemitismus" haben möchte, sei auf das Buch "Exklusive Solidarität - Linker Antisemitismus in Deutschland" (hrsg von Matthias Brosch u.a.) verwiesen (Metropol-Verlag 2007), in dem die Beiträge zur Tagung der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2004 gesammelt sind. Die meisten Beiträge sind sehr informativ und aufschlussreich.

U. Dittmann, Braunschweig

 

4. "Israel will alles, nur keinen Frieden"

Veranstaltung der Palästinenser in der Uni musste unter Polizeischutz stattfinden

Zum Vortrag von Frau Hecht-Galinski am 2.Nov.2011 in der TU Braunschweig

Bisher ist man gewohnt, dass eher jüdische Veranstaltungen Polizeischutz benötigen. Ein neues Phänomen ist, dass inzwischen auch eine israelkritische Veranstaltung unter Polizeischutz stattfinden musste.

Was war geschehen? Bei einem Vortrag von Frau Hecht-Galinksi, die vom Verein der Palästinenser eingeladen worden war, gab es unter den Zuhörern eine größere Gruppe von 8-10 Personen, die lautstark und pöbelnd die Äußerungen der Vortragenden störten und unterbrachen. Auf den Hinweis der Veranstalter, entweder Ruhe zu geben oder den Saal zu verlassen, reagierten sie höhnisch und in einer fast militanten Form, so dass die Veranstalter die Polizei riefen, die die Personen des Saales verwies. Angesichts des aggressiven Verhaltens dieser Gruppe blieb die Polizei weiterhin vor Ort, um die Besucher auch nach Ende der Veranstaltung zu schützen.

Ein eigenartiges Phänomen, die gewohnte Denkmuster über den Haufen wirft. Aggressives Eintreten für Israel auf einer Veranstaltung in Deutschland? Nun hatte Frau Hecht-Galinski, deren Vater der bekannte und langjährige Vorsitzende des Zentralrates der Juden war, in einer scharfen und polemischen Weise den Staat Israel angegriffen. Für dies schwierige und sensible Thema schien sie in keiner Weise geeignet zu sein. Schon nach kurzer Zeit wurde ihre einseitige Stellungnahme sichtbar. Angesichts der verfahrenen Situation zeigte sie keine möglichen Lösungen auf und erteilte vermittelnden Positionen eine deutliche Absage. Das gipfelte in ihrer Bemerkung, die palästinensische Regierung der Fatah unter Abbas könne man mit dem Vichy-Regime vergleichen.

Sicherlich wäre der Verein der Palästinenser gut beraten, solch polarisierenden Personen zu Vorträgen nicht einzuladen. Sie dienen damit der Sache nicht. Dass aber eine Gruppe von selbsternannten Israelfreunden in einer fast militanten Weise die Veranstaltung stört, gibt zu denken. Hier wird eine Form bisheriger rationaler Auseinandersetzungen verlassen, bei der die Argumente und das Wort nicht mehr zählen.

Gewalt aber ist keine Lösung - weder hier, noch in Nahost. Mögen weitere Veranstaltungen des Vereines im friedlichen Rahmen stattfinden - gerade angesichts der schwierigen, fast unlösbaren Probleme. Der Verein der Palästinenser wies auf ein Zitat von Bill Clinton hin: "Die Nahost-Sache macht mich verrückt."  Ich möchte noch den Eindruck von Peter Scholl-Latour anfügen, der ebenfalls kaum eine machbare Lösung des Israel/ Palästina -Konfliktes sieht. Und trotzdem - den Kopf in den Sand stecken, hilft nicht. Und wenn es wenigstens kleine Schritte sind... Es geht um Menschen, und jeder noch so kleine Fortschritt ist ein Beitrag dazu, die Situation erträglicher zu machen.

U. Dittmann, Braunschweig

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