Kurzbericht
zur Verleihung des Ossip-K.- Flechtheimpreis 2013

an www.gedenkort-t4.de

in Berlin, Topographie des Terrors, Niedernkirchnerstr.8
am 27.Oktober 2013

Eröffnung:
Theater Thikwa: Bolivianisches Volkslied
Zum Beginn spielten Tim Petersen (Gesang/ Waldhorn) und Klaus Janek (Kontrabass) das bolivianische Volkslied "Ojos Azules". Sehr beeindruckend und eingängig war dabei der "Hochtongesang" von Tim Petersen, der von Klaus Janek auf dem Kontrabass begleitet wurde.

Begrüßung:
Dr. Felicitas Tesch (Stellvertretende Präsidentin des HVD Berlin Brandenburg)
Frau Tesch begrüßte zunächst insbesondere die Tochter von Ossip Flechtheim sowie mehrere Bundestagsabgeordnete. - Der Preis wurde zum 6.Mal vergeben (alle 2 Jahre sei eine Preisverleihung). Im Jahr 2002  wurde der Preis z.B. an Konrad Riggenmann verliehen, der durch seinen Kampf als Lehrer gegen das gesetzliche Zwangskreuz im bayerischen Volksschulklassenzimmer bekannt geworden ist; 2006 erhielt die Rechtsanwältin Seyran Ates den Preis für ihr bürgerschaftliches Engagement.
Die Jury bestand aus 7 ehrenamtlichen Personen, darunter auch Hans-Christian Ströbele und Rolf Schwanitz. Es waren 12 Vorschläge eingereicht worden - diesmal wurde der Preis an das Projekt www.gedenkort-t4.de verliehen, das als interaktive Webseite im Internet eine Brücke zur jüngeren Generation schlage. Auch das Thema der Webseite "Gedenkort T4" fülle eine Lücke und passe gut zu dem Berliner Themenjahr "Zerstörte Vielfalt".

Grußwort:
Prof. Dr. Andreas Nachama (Geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors)
Auch er verwies auf das aktuelle Berliner Themenjahr "Zerstörte Vielfalt". Im weiteren äußerte er Kritik an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die lange mit Projekten gewartet hätte. Stattdessen habe es nur Sonntagsreden gegeben, man habe lange weggesehen. - Inzwischen gäbe es ein Projekt über die "Arisierung eines Kunstprojektes von 1935", und im nächsten Jahr würde es eine Ausstellung über Opfer und Täter der Krankenmorde geben. - Letztlich käme das alles viel zu spät, über Jahrzehnte hätte man geschwiegen.
In den Räumen der "Topographie des Terrors" hatte es immerhin seit 2007 die Treffen des Runden Tisches T4 gegeben, die schließlich zur Entstehung des Gedenkortes an der Tiergartenstraße 4 geführt hätten. Eine treibende Kraft sei hierbei insbesondere Herr Purmann gewesen.

Musik:
Theater Thikwa: Latin Medley
mit Tim Petersen (Gesang), Klaus Janek (Kontrabass) und Alexander Lange (Drums)

Laudatio:
Dr. Phil. Harald Krämer (Kunst- und Medienwissenschaftler, Basel/ Hong Kong)
Es gäbe die Kritik, Medien seien nur zum Spaß da. Es gäbe durchaus auch eine andere Seite, etwa folgende Beispiele wären zu nennen:
- der Comic "Maus" von Art Spiegelman. Dieser erschien 1990 in den USA und erhielt dort den Pulitzer- Preis; erst 20 Jahre später wurde er auch in Deutschland anerkannt.
- die CD-Rom "Gegen das Vergessen" (2002/ Sachsenhausen)

Harald Krämer ging auf die Vorgeschichte der Preisverleihung ein:
Auf dem bundesweiten Gedenkstättenseminar 2013 war das Thema  "Gedenkstätten und neue Medien". Dort stellte Robert Parzer die Webseite "Gedenkort T4" vor, die große Aufmerksamkeit fand. Die Idee zur Webseite war entstanden, als 2010 die Übergabe der Totenbücher aus Meseritz-Obrawalde erfolgte. Im Oktober 2010 ging es dann los.
Krämer stellte die Webseite im weiteren vor: Es gibt dort
- PDFs und Textdokumente
- ein Angehörigen-Forum
- Kommunikation über Facebook, Twitter und Google
- leichte Sprache und Gebärdensprache
- Texte in deutscher, englischer, polnischer und ungarischer Sprache
Die Seite ist in 3 Zeitschichten gegliedert:  Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft
Viele Webseiten von Gedenkstätten sind eher statisch. "Gedenkort-T4" ist eher dynamisch und fordert zur Mitarbeit heraus. So sei aus einem Gedenkort ein "Denkort" geworden.

Preisverleihung:
Der Flechtheim-Preis wird von Frau Tesch an Herrn Purmann und Frau John verliehen.

Dankesrede:
Prof. Barbara John (Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin)
Frau John führte zu Beginn ihrer Dankesrede das Beispiel eines Opfers an. Es ging um Frieda Göhre, die ab 1934 wegen einer paranoiden Schizophrenie in einer Anstalt untergebracht war. 1936 annulierte ihr Mann die Ehe. Die Mutter will sie 1940 zurückholen; der Arzt war dagegen. Am 6.12. 1940 wurde sie verlegt und kurz darauf ermordet.
Vor einiger Zeit stellte man fest, dass es zu diesem Bereich keine zentrale Info im Netz gab. So gingen die Namen der Opfer sowie die der Täter verloren. Deswegen sei die neue Webseite sehr wichtig.
Im weiteren wie Frau John auch auf ein Buch von Gerhard Schmidt hin, das inzwischen auch im Netz zu finden ist. Schmidt wurde 1945 Direktor in Eglfing-Haar und verfasste über die NS-"Euthanasie" ein Werk, insbesondere über die psychiatrische Szene. Damals wollte niemand, dass das Buch erscheint. Schließlich hat es 20 Jahre gedauert, bis es schließlich veröffentlicht wurde.
Gerhardt Schmidt: Selektion in der Heilanstalt 1939–1945. Neuausgabe mit ergänzenden Texten, herausgegeben von Frank Schneider. Springer, Berlin 2012.

Stefan Schenk/ gedenkort-T4
Er ist einer der zahlreichen Mitgestalter der Webseite. Er wies u.a.auf die Übersetzungen der Webseite hin, insbesondere ins Ungarische, die auf ehrenamtlicher Basis - und kostenlos - erfolgte. Im weiteren erwähnte er den Schülerwettberb "andersartig gedenken", in dem Schüler Ideen für eine kritische Darstellung der T4-Aktion einbrachten. Daraus entstand eine Ausstellung, die kostenlos ausgeliehen werden kann.

Robert Parzer/ gedenkort-T4
Er ist Koordinator und Ansprechpartner für die Webseite.

Musik: Thikwa in Strings
Zum Abschluss spielte die Gruppe "Thikwa in Strings" ein Gitarrenimpro mit Louis Edler, Ingo Joers(E-Gitarre) und Alexander Lange (Drums)
Im Anschluss an die Veranstaltung erfolgte eine Führung in Kleingruppen durch die Ausstellung "Topographie des Terrors".

Anmerkungen zum Humanistischen Verband
Der HVD ist ein säkularer Verband, der für Freiheit und Selbstbestimmung eintritt. Das gelte auch für das Lebensende. Dabei weist man darauf hin, dass z.B. 60% der Berliner und 80% der Brandenburger nicht mehr Mitglied einer christlichen Kirche seien.

U. Dittmann (Nov. 2013)

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