Wandel in der Einschätzung des Fritz-Bauer-Filmes von Ilona Ziok durch Ronen Steinke

Nach einer ursprünglich sehr positiven Bewertung des Filmes erfolgt eine radikale Wende

Ronen Steinke hat in seinem Buch "Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht" Kritik an dem Film von Ilona Ziok geübt, da sie in Hinblick auf den Tod Bauers "das dunkle Selbstmord-Geflüster, erweitert um einige Anmerkungen in Richtung Mordkomplott, zur Prämisse ihres Dokumentarfilmes" gemacht hätte. (1) Auch die Bemerkung "eine Fritz Bauer verehrende Filmemacherin" klingt nicht ganz glücklich.

Vielleicht hätte sich Steinke diese Bemerkungen sparen können, oder er hätte es differenzierter darstellen können, denn er schien den Film ursprünglich nicht abzulehnen, wie er an anderer Stelle es ausdrückt (2) So klingt es leider wie eine pauschale Abwertung. Gerade in einem Buch, das auch so viel neues Material zu Bauer bringt, ist das etwas schade.

Insofern irritiert etwas die erste Mail von Steinke an Ilona Ziok (vom 14.08.2012), in der er sich als Journalist der Süddeutschen Zeitung vorstellt und den Fritz Bauer Film von ihr ausdrücklich lobt:
"Ich forsche schon seit längerem zu Fritz Bauer in Vorbereitung auf ein Buchprojekt - dabei ist mir natürlich auch Ihr höchst spannender Film untergekommen! ...Im Moment bin ich dabei, mit Zeitzeugen Bauers Kontakt aufzunehmen. Sehr viele interessante Zeitzeugen haben ja bereits Sie für Ihren gelungenen Film interviewt.
... Ich würde mich freuen, wenn Sie in einem kreativen Austausch einen Sinn sehen würden - denn ich kann von Ihrer Erfahrung sicher viel lernen." (3)

Es ist sicherlich die Frage, wie ein solcher Wandel in der Einschätzung erfolgen kann. Es gab dann nur noch 1-2 weitere kurze Mails, dann erfolgte in dem Buch später eine ganz andere Bewertung des Filmes. Insofern ist es die Frage, ob es sich in der ersten sehr positiven Mail von Ronen Steinke um reine Taktik oder um eine wirkliche Wertschätzung des Filmes handelte. Sollte das erstere der Fall sein, wäre es eine nicht sehr lautere Form des Journalismus, durch "Einschmeicheln" möglicherweise interessante Informationen zu erhalten, die dann aber ganz anders verwendet werden.

Lag aber in der ersten Mail eine wirkliche Wertschätzung vor, so wäre zu klären, weshalb ein solcher Sinneswandel erfolgte. Hier wäre es sicher eine Aufgabe von Ronen Steinke, dies näher zu erläutern. Sonst wäre es kein "sauberer" Journalismus und insbesondere nicht der Stil der Süddeutschen Zeitung, die doch eher für Seriosität, Transparenz und Vertrauen steht.

Als der Produzenten des Filmes, Manuel Göttsching, nach der Veröffentlichung des Buches nachfragt, wie es zu der inzwischen negativen Einschätzung des Filmes kommt, schreibt Steinke dazu: "Je mehr ich mich selbst mit den Quellen und Dokumenten befasst habe, desto weniger ist in der Tat von meiner Anfangs guten Meinung über Ihren Film übriggeblieben." (4) Dies sollte doch etwas ausführlicher erläutert werden, da in dem Film nur Zeitzeugen zu Wort kommen und historische Dokumente verwendet werden. Die Kritik scheint ja nicht nur die Frage des Todes von Bauer zu betreffen, sondern den ganzen Film. Das dürfte für Zuschauer sowie für Leser des Bauer-Buches von Steinke schon von Interesse sein.

Unabhängig von der Pauschalkritik des Filmes wäre ein Austausch an anderer Stelle zwischen Filmemacherin und Buchautor möglicherweise ganz hilfreich gewesen. Es betrifft die Frage der Behandlung einer möglichen Homosexualität bei Bauer. Dieser Frage geht Steinke in seinem Buch sehr ausführlich nach. Da ein Verdacht diesbezüglich nicht ganz unbegründet ist - immerhin gab es deswegen einen Hinweis bzw. eine Denunziation der Gestapo an die dänischen Behörden - sprach Ilona Ziok bei der Berlinale mit verschiedenen Filmemachern darüber, als sie ihren Film dort vorstellte. Bei der Berlinale gibt es viele Filmsparten, darunter auch den Bereich "Schwuler Film", in dem der "Teddy Award" als Auszeichnung vergeben wird. Ziok sprach u.a. mit Wieland Speck, dem Programmleiter der Sektion Panorama, der auch für diese Sparte verantwortlich ist. Dieser fragte sogleich, ob sich Bauer in dieser Weise jemals geoutet bzw. dazu bekannt hat. Wenn nicht, sollte das unbedingt respektiert werden.

Nach dem bisherigen Sachstand ist das bei Bauer nicht der Fall gewesen. Da es um einen sehr persönlichen und sensiblen Bereich geht, sollte das auf jeden Fall bedacht werden. Die Persönlichkeitsrechte haben hier einen sehr hohen Stellenwert. Eventuell ist Steinke hier in seinen Ausführungen etwas zu weit gegangen. Da nun das Thema auch in der neuen Fritz Bauer Ausstellung, die zur Zeit in Vorbereitung ist und im nächsten Jahr im Jüdischen Museum Frankfurt gezeigt werden soll, behandelt wird, kann man gespannt sein, wie dieser Bereich dort aufgegriffen wird. (5)

Udo Dittmann (Okt. 2013)

 

Anmerkungen:
1. Ronen Steinke: Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht. München. 2013. S.270
2. Mail von Ronen Steinke an Ilona Ziok, vom 14.08.2012
3. ebd
4. Mail von Ronen Steinke an Manuel Göttsching, vom 12.Okt. 2013
5. Steinke, a.a.O. S.278

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