Sebastian Edathy  (MdB/ SPD) berichtet als Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses über die Zwischenergebnisse des Ausschusses (im Rahmen einer Podiumsdiskussion)

Rechtsterrorismus in Deutschland

Über den Stand der Ermittlungen im Untersuchungsausschuss "Terrorgruppe nationalsozialistischer Untergrund"
am Dienstag, den 04.12.2012,
im Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte

Zukunftsdialog der SPD-Bundestagsfraktion /Podiumsdiskussion mit
Sebastian Edathy, MdB, Vorsitzender des 2.Untersuchungsausschusses "Terrorgruppe NSU",
Reinhard Koch, Leiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt (ARUG)
Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Niedersachsen
Dr.Carola Reimann, MdB, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Dt.Bundestages

"Die Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrundes" sind eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. ... Nach und nach zeigt sich in schockierendem Maße das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden. Lückenlose und schonungslose Aufklärung ist nötig, um Konsequenzen zu ziehen... Quer durch die im Bundestag vertretenen Parteien wird massive Kritik am Kompetenzwirrwarr und den Fehleinschätzungen der Sicherheitsbehörden formuliert."
Die Veranstaltung diente dazu, die bisherigen Ergebnisse des Untersuchungsausschusses vorzustellen und zu diskutieren.

Zunächst wurde klargestellt, dass die Veranstaltung nicht die Frage klären kann, ob die Sicherheitsbehörden auf dem rechten Auge "blind" sind.

Der Untersuchungsausschuss wurde im Januar 2012 eingerichtet. Es war der 49. Untersuchungsausschuss. Dabei gab es folgende Besonderheiten:
- Es ist der 1. Ausschuss, der von allen Parteien einberufen wurde
- Er soll außer den konkreten Sachverhalten auch Vorschläge erarbeiten, die die Zukunft betreffen, d.h. also, welche Konsequenzen zu ziehen sind.
Ziel der Untersuchung ist nicht nur ein zentrales Gedenken an die Opfer, sondern ein Wiedergewinnen des Vertrauens in die Angelegenheiten des Rechtsstaates.

Zu den Fakten: Eine Gruppe von Rechtsterroristen konnte 13 Jahre lang
- 10 Morde, 2 Anschläge und 15 Überfälle begehen
ohne dass die rechtsextremen Zusammenhänge bemerkt wurden.

Zu der Arbeit des Ausschusses: Außer diesem parlamentarischen Ausschuss gab es noch zwei weitere Ausschüsse dazu in Thüringen und in Sachsen. Mit dem Ausschuss in Sachsen konnte jedoch nicht zusammengearbeitet werden, da dort ein NPD-Mitglied vertreten  ist.

Zwei Fragen waren dabei für den Ausschuss wichtig:
1. Wie ist man mit den Straftaten umgegangen?
2. Welche staatliche Institution (z.B. der Verfassungsschutz) wusste wann was?

Es wurde festgestellt, dass es mindestens drei Faktoren gab, die dazu beitrugen, dass man den Tätern nicht auf die Spur kam:
1. Die Sicherheitsbehörden haben die rechte Gefahr unterschätzt (trotz wider besseres Wissen). Hinzu kam, dass in Thüringen "rechts" als Normalität empfunden wurde.
2. Der Blick auf die Toten und Verletzten der Anschläge: Man ging mit einem Vorurteilsblick an die Untersuchungen, da es sich um Migranten handelte.
3. Es gab ein Strukturproblem (strukturelles Wirrwarr): 36 Behörden auf Bundes- und Landesebene waren mit dem Thema beschäftigt. Zwischen diesen Behörden bestand kein guter Austausch. Es gab 9 Tote in 5 Bundesländern, z.B. auch in Bayern. Die Ergebnisse aus Sachsen und Thüringen wurden nicht abgefragt. Wissen wurde nicht weitergegeben. Ein wichtiger Grund war, dass sich die Bundesregierung an den Ermittlungen beteiligen wollte. Zudem blockte das Land Hessen (Bouffier) die Informationsweitergabe.

Eigentlich war auch die Bundesanwaltschaft zuständig. Hier erfolgte jedoch nichts. Man hat nicht die Ermittler angesprochen, um Informationen zu bekommen, stattdessen googelte der Oberstaatsanwalt 2006 auf den Seiten von WELT, BILD, Spiegel online und der Frankfurter Rundschau, um zu recherchieren. (Anmerkung von U.D.: Dies Vorgehen wirkt mindestens dilettantisch. Ein Vertrauen in staatliche Rechtsorgane kann so schwerlich entstehen.)

Während die Gefahr von rechts einerseits unterschätzt wurde, gab es andererseits im rechten Spektrum das Motto: "Taten statt Worte". In Hinblick auf das Motto erfolgte auch konkret eine Ausbildung an Waffen.

Als ein Problem erwiesen sich dabei die V-Leute. Bei ihnen handelt es sich nicht um verdeckte Ermittler, sondern im Grunde um bezahlte Kriminelle. Der Aufklärungsaspekt durch V-Leute war daher auch nicht sonderlich groß. - Hinzu kam, dass die einzelnen Landesämter nicht wussten, wer von welchem Land als V-Mann eingesetzt war.

Während man nach den Anschlägen vom 11.September die Überwachung islamistischer Gruppen stark ausgebaut wurde, erfolgte im rechten Bereich nicht viel.

Der Untersuchungsausschuss wird noch bis zum Ende der Legislaturperiode (Sommer 2013) arbeiten. Bisher war er durchaus erfolgreich, zahlreiche Fehler wurden aufgedeckt. Es ist die Frage, ob die Zeit bis zum Sommer ausreicht, um noch nötige Schlüsse und Konsequenzen zu ziehen. - Das Schlimmste wäre, wenn bei der weiteren Aufklärung gemauert werden würde. Dann würden die Opfer zum zweiten Male Opfer werden. -

Die Leitfrage sollte nicht sein, wie das Ansehen Deutschlands im Ausland ist, sondern das Leitmotiv bei der Aufklärung sollte die Selbstachtung sein. Diese Kräfte der Selbstachtung (und Selbstreinigung) sind in Deutschland traditionell nicht sehr stark gewesen. Die Einrichtung des Untersuchungsausschusses ist in dieser Hinsicht  ein wichtiger Schritt gewesen.

Es wäre gut, wenn der Ausschuss auch nach dem Sommer 2013 noch weiter arbeiten könnte. Vielleicht würde so ein Stück Vertrauen in den Rechtsstaat wiederhergestellt werden.

U.D. (Jan.2013)

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