Bericht zur Eröffnung des Erinnerungsortes
und der Ausstellung "Fritz Bauer - Jurist aus Leidenschaft"

Montag, den 11.März 2013
Stuttgart, Eberhard- Ludwigs- Gymnasium, Herdweg 72

Das Besondere an dieser Ausstellungseröffnung war zunächst der Ort. Das Eberhard- Ludwigs-Gymnasium (genannt Ebelu) ist die Schule, die Fritz Bauer als Schüler selbst besucht hat. Er wohnte ganz in der Nähe, in der Wiederholdstraße 10. Das Gymnasium ist schon sehr alt, es besteht etwa seit 400 Jahren und hat dementsprechend eine lange Tradition. Eine Reihe berühmter Schüler besuchten die Schule, angefangen von Hegel, die Brüder Stauffenberg und Loriot (Victor von Bülow). Viele dieser ehemaligen Schüler sind im Bewusstsein der Schule geblieben - bei Fritz Bauer war das nicht der Fall.

Auch an seinem eigenen Gymnasium - dem Ebelu - wurde Fritz Bauer vergessen
Es ist schon ein merkwürdiges Phänomen: auch trotz mehrfacher Vorträge und Schülerarbeiten über Fitz Bauer wurde er an der Schule immer wieder vergessen. In der Erinnerung der Schule und der Schüler blieb davon nichts haften. Dies Phänomen wurde mehrfach am Abend angesprochen. Es ist die Frage, womit das zusammenhängen kann. Ähnlich war es mit Bauer bundesweit. Er wurde zwar ab und zu erwähnt, aber es war immer nur sporadisch und nebenher. Letztlich blieb Bauer vergessen - bis heute. Auch für die Schüler des Seminarkurses, die die Ausstellung gemacht hatten, war es ein Rätsel. Und sie wussten keine Antwort...
Vielleicht sind die Worte von Gerhard Zwerenz, die er in dem Fritz Bauer Film "Tod auf Raten" äußert, ein kleiner Hinweis. Dort spricht er davon, dass die Deutschen nach dem Krieg ein "aufklärungsunwilliges, ja aufklärungsunfähiges Volk" seien. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass man Bauer immer wieder vergisst.

Für Bauers Schule, das Ebelu, sollte sich das diesmal aber ändern. Diesmal sollte ein Gedenkort an der Schule eingerichtet werden, der einfach nicht mehr zu übersehen ist. In der Eingangshalle der Schule wurde so in großen Lettern ein Zitat aus dem Buch von Fritz Bauer "Im Kampf um des Menschen Rechte" (1955) angebracht:

"Wir können aus der Erde keinen Himmel machen, aber jeder von uns kann etwas tun, dass sie nicht zur Hölle wird." Bauer, Abiturient 1921

 

Ausstellungseröffnung durch den Fritz Bauer Film "Tod auf Raten" um 15.30 Uhr

Schon am Nachmittag wurde der Fritz Bauer Film "Tod auf Raten" für die Schüler der Oberstufe in der Aula der Schule gezeigt. Die Filmemacherin Ilona Ziok war auch anwesend, ebenso ein Kamerateam des SWR. Nach dem Film stand Frau Ziok zur Diskussion zur Verfügung - es wurde eine lebendige Diskussion mit vielen Fragen.

Um 18 Uhr wurde die Ausstellung eröffnet und Schülerinnen des Seminarkurses führten durch die Ausstellung, begleitet vom Kamerateam des SWR.
Die Ausstellung besteht aus vier Bildtafeln, einer Stellwand und drei Schaukästen mit Dokumenten und Büchern von Fritz Bauer sowie einem alten Schreibtisch, der zwar nicht von Bauer stammt, aber doch einen "historischen" Wert hat, da er aus dem Theaterstück "Alles was Recht ist" (von Gerold Theobalt) entliehen ist. Dies Stück wurde 2010 in Stuttgart aufgeführt wurde und handelt von Fritz Bauer, dem Remer-Prozess und Globke.

Den Schülern war wichtig gewesen, dass es in der Ausstellung nicht nur Texttafeln gab. Deshalb besteht ein großer Teil der Ausstellung aus Dokumenten, Büchern, Bildern und anderen Gegenständen. Im Mittelpunkt steht der Schreibtisch mit leeren Aktenordnern, auf denen Begriffe zu Bauer geschrieben sind. Auf dem Boden sind Textstreifen mit Zitaten von Bauer angebracht, die den Besucher durch die Ausstellung begleiten. Deutlich sichtbar ist ein großes Foto von Bauer über dem Schreibtisch, auf das gleich der Blick fällt, wenn man den Ausstellungsraum betritt.

Insgesamt wirkt die Ausstellung sehr professionell. Das mag auch an der guten Betreuung der Schüler durch das "Haus der Geschichte" liegen - die Zusammenarbeit zwischen Schüler und Mitarbeiterinnen des Museums war wohl sehr gut Es erleichterte auch den Zugang zu Archiven und anderen Museen, so dass in der ursprünglichen Ausstellung, die die Schüler auch im "Haus der Geschichte" zeigen konnten, sogar die Originale ausgestellt werden konnten. Für die Ausstellung in der Schule wurden dann von wichtigen Dokumenten Kopien gemacht, die aber sehr gut und kaum als Kopie zu erkennen sind.

Die Ausstellung ist als Wanderausstellung konzipiert und kann später von interessierten Einrichtungen oder Schulen ausgeliehen werden.
Bis zum Frühsommer wird die Ausstellung im Eberhard-Ludwigs-Gymnasium gezeigt, dann wird sie als erstes ins Amtsgericht Stuttgart gehen - also dorthin, wo Bauer 1930 (als jüngster Amtsrichter Deutschlands) seine juristische Laufbahn begann.

Überblick über die Ausstellung              
Tafel 1: Kindheit und Berufung                                    
Tafel 2: Richter, Sozialdemokrat und Exilant              
Tafel 3: Neuanfang in Braunschweig
Tafel 4. Ankläger und Aufklärer
Stellwand (5): Tod und Erinnerung            
- Textstreifen mit Zitaten auf dem Boden
- Schaukasten mit Dokumenten und Büchern
- Schreibtisch und Foto von Bauer                

Abendprogramm um 19 Uhr

Zur Einstimmung begann der Abend mit einem Stück von Schostakowitsch, dem Konzert für Cello und Orchester Nr.1, Es-Dur 1.Satz, mit Levan Stülpnagel (Violoncello) und Richard Boell (Klavier)

Nach diesem dramatischen Stück erfolgte die Begrüßung durch die Schulleiterin am Ebelu, Karin Winkler

Begrüßung:
OStD' Karin Winkler, Schulleiterin Eberhard- Ludwigs- Gymnasium Stuttgart
Karin Winkler - selber Historikerin - ging in ihrer Rede auf die Vorgeschichte der Ausstellung ein und betonte, dass trotz mehrfacher Vorträge und Schülerarbeiten über Fritz Bauer noch keine bleibende Erinnerung an ihn an der Schule vorhanden sei, obwohl er auch Schüler des Ebelu gewesen war. Sie äußerte die Hoffnung, dass die jetzige Ausstellung und der neue Gedenkort in der Schule für Bauer das nachhaltig ändern möge.- Sie begrüßte die zahlreichen Anwesenden, darunter auch mehrere Vertreter der Stadt und Mitarbeiter des "Hauses der Geschichte" Baden- Württemberg sowie die Filmemacherin Ilona Ziok


Grußwort:
Caroline Gritschke, Haus der Geschichte BW

Sie erwähnte die Schulpartnerschaft zwischen dem Ebelu und dem "Haus der Geschichte". Auch für die Ausstellung sei das Museum ein Kooperationspartner gewesen und habe den Schülern bei der Vorbereitung und der Bereitstellung des Materials geholfen. Wesentlich war dabei für das Museum die Frage: Was ist der Blick der Schüler? Ihre Fragen, ihre Anliegen und ihre Sichtweisen sollten in der Ausstellung zum Ausdruck kommen Das Museum wollte hierbei unterstützend und beratend zur Seite stehen. Es entstand eine gute und produktive Zusammenarbeit, auch wenn es manchmal Tiefpunkte gab - angesichts eines solchen Projektes auch nicht verwunderlich. Für die Schüler war insgesamt wichtig, dass es keine "Buchausstellung" wird, die nur aus Texten besteht. Materialien und Dokumenten sollten die Ausstellung bereichern und anschaulich machen. Und das sei hervorragend gelungen. Bei der Beschaffung von Material war das Museum ebenfalls behilflich gewesen.
Auch Caroline Gritschke drückte wieder die Grundfrage in Bezug auf Bauer aus: Weshalb konnte er so vergessen werden? Weshalb blieb er so unbekannt? Eine Antwort konnte sie nicht geben - es blieb als Frage stehen.

Vortrag:
Ella Kern, Abiturientin und Kuratorin der Ausstellung

Ella Kern begann ihren Vortrag - nach einer Begrüßung der Gäste - mit den Worten:

"Zu Beginn des Seminarkurses vor mehr als einem Jahr konnte sich keiner von uns ein Bild darüber machen, wer Fritz Bauer war, geschweige denn, was er getan hat. Auch wussten wir nicht, dass er ein ehemaliger Schüler des Eberhard- Ludwigs- Gymnasium war, nur eines war sofort klar: An diesen Mann gibt es keine Erinnerung, er scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Im Laufe dieses einen Jahres bekamen wir ein immer klareres Bild davon, wer Fritz Bauer war und vor allem, was er geleistet hat, was er für Deutschland geleistet hat"

Wieder klingt hier das merkwürdige Phänomen des Vergessens von Bauer an. Im Weiteren stellt sie in Kürze den Lebensweg von Fritz Bauer vor, mit der Emigration nach Dänemark und Schweden, mit der Tätigkeit als Generalstaatsanwalt in Braunschweig und Frankfurt am Main. Und sie versucht eine Antwort darauf zu bekommen, weshalb Bauer so vergessen wurde:

"Warum nur war dieser Mann in Vergessenheit geraten? Genau diese Frage beschäftigte uns während dieses einen Jahres immer wieder. Keinem von uns war klar, wieso nicht einmal das Ebelu an Fritz Bauer erinnert, wobei er doch so viel zu Aufklärung der NS-Zeit beigetragen hat. Wieso gibt es keinerlei Denkmäler ihm zu Ehren, wieso sind keine Straßen und Plätze nach ihm benannt und wieso kommt die Würdigung seiner Leistung und seiner Person so sehr zu kurz? Wie konnte es geschehen, dass sich heute niemand mehr an ihn erinnert, geschweige denn weiß, wer er war? Ehrlich gesagt, bis heute kennen wir die Antworten auf diese Fragen nicht. Waren es seine Gegner, die ihn in Vergessenheit geraten ließen? War es die Tatsache, dass die deutsche Bevölkerung nicht mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert werden wollte und Fritz Bauer nach seinem Tod deshalb wohlwollend vergaß? All diese Fragen, die sich uns stellten, waren schlussendlich auch der ausschlaggebende Grund, warum wir uns dazu entschieden haben, eine Ausstellung über diesen Mann zu erstellen. Für uns stand fest: Wir wollten die Erinnerung an Fritz Bauer aufrechterhalten"

Und sie beschreibt den Weg bis zur Ausstellungseröffnung, der "kein Zuckerschlecken" war. Es war ja kein "normaler" Seminarkurs, der mit der Präsentation der Arbeiten am Kursende abgeschlossen war. Dann sei es erst richtig losgegangen. Auch in den Sommerferien wurde weiter gearbeitet, Kontakte zu Archiven und Museen aufgenommen. Und sie dankt für die gute Zusammenarbeit mit Frau Gritschke vom "Haus der Geschichte", die sehr wichtig gewesen sei. Auch andere Personen seien für das Zustandekommen der Ausstellung hilfreich gewesen wie Frau Witwer und Valentin Vetter, die insbesondere bei dem Layout geholfen hatten. Durch den geplanten Termin der Ausstellungseröffnung im Oktober 2012 sei auch immer ein gewisser Zeitdruck da gewesen - eine wichtige Erfahrung neben vielen anderen. Viele praktische Erfahrungen wurden gesammelt, als es um das Einholen von Bildrechten, finanziellen Fragen usw. ging.
Am Ende ihres Vortrages weist Ella Kern auf ein Zitat von Bauer hin, das dann das Motto für den Gedenkort in der Eingangshalle der Schule wurde: "Wir können aus der Erde keinen Himmel machen, aber jeder von uns kann etwas tun, dass sie nicht zur Hölle wird."

Und sie fährt fort:
"Fritz Bauer hat seinen Teil hierzu bereits beigetragen, indem er die Deutschen mit ihrer Vergangenheit konfrontiert hat und somit diese vor der Vergessenheit oder der Verdrängung bewahrt hat. Wir hoffen, auch im Sinne von Fritz Bauer, auch einen Teil dazu beigetragen zu haben, indem wir nun an ihn selbst erinnern, denn wenn wir Deutschen ihn vergessen, vergessen wir einen Teil unserer Geschichte. einen Teil unserer Vergangenheit.
Deshalb haben wir eine Bitte an Sie: Erzählen Sie Ihren Freunden, Bekannten, Ihren Kindern und Ihrer Familie von Fritz Bauer, denn nur so können wir verhindern, dass dieser großartige Mann wirklich ganz in Vergessenheit gerät. Bauers aktives Handeln, sein Kampf gegen das Vergessen, seine Zielstrebigkeit und sein unglaublicher Wille haben uns gezeigt, dass es eigentlich jeder als seine eigene Pflicht ansehen sollte, sich für Menschenrechte und für die Würde der Menschen einzusetzen und auch zum Wohle anderer zu handeln. Durch sein Handeln hat Fritz Bauer ein Vermächtnis für uns, für unsere Geschichte und für Deutschland hinterlassen."
Der ganze Vortrag ist nachzulesen im Jahrbuch 2012/ 2013 des Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart.

Es folgt ein Musikstück von Oliver Strock "Wohin soll ich gehen", das eindrucksvoll von Hitomi Derow auf der Klarinette gespielt wird.

Vortrag:
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der Justiz a.D. und Fritz-Bauer-Expertin

In einer sehr engagierten und persönlichen Rede, die in besonderer Weise auch an die Schüler und Schülerinnen des Seminarkurses Fritz Bauer gerichtet war, berichtete Herta Däubler-Gmelin an den bedeutenden Juristen und die Geschichte der Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Deutschland nach 1945.

Zunächst aber erwähnte sie ihre eigenen Verbindungen zum Ebelu, denn auch ihr Bruder sei Schüler des Gymnasiums gewesen, während sie damals in Stuttgart auf ein Mädchen-Gymnasium gegangen sei. Nach der Schulzeit habe sie während ihres Studiums Fritz Bauer persönlich kennengelernt. Einmal sei er zu einem Vortrag eingeladen worden, und hinterher hatte es eine anregende Diskussion mit ihm gegeben.

Deutlich war bei Bauer immer, mit welchen starken Widerständen er sich damals auseinandersetzen musste. Zu der Zeit sei selbst über den Volksgerichtshof noch gestritten worden und ob dessen Rechtsprechung rechtmäßig gewesen sei. Bei Bauer habe es schließlich zu einer zunehmenden Isolierung und Verbitterung geführt. - In der westdeutschen Justiz habe es eine starke Bürokratisierung gegeben. Im Raum stand damals auch der bekannte Satz. Was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein. Nur wenige Juristen (und Historiker) seien an kritischer Aufarbeitung der NS-Verbrechen interessiert gewesen. Neben Bauer seien es z.B. besonders Max Güde, Rudolf Schmid und Arndt gewesen. Kein einziger Richter des NS-Systems sei später verurteilt worden. Sie erwähnt noch einmal besonders Max Güde, der von der "Terror-Rechtsprechung" im NS-Staat gesprochen hatte. Frau Däubler-Gmelin wies im Weiteren auf das wichtige Urteil des BGH aus dem Jahr 1998 hin. Dort sei zum ersten Mal erwähnt, dass die NS-Aufarbeitung juristisch fehlgeschlagen sei.

Zum Abschluss ihres Vortrages schlug Frau Däubler-Gmelin vor, an der Schule einen Fritz Bauer Preis für Schüler zu vergeben. Auch so könne die Erinnerung an Bauer erhalten bleiben. - Und sie wies darauf hin, dass es in Stuttgart an dem Geburts- und Wohnhaus von Fritz Bauer in der Wiederholdstraße noch keine Gedenktafel gäbe. Auch dafür könnte man sich in Stuttgart noch einsetzen.
 
Zum Abschluss der Veranstaltung wird das Stück "Freilech" von Yankele mit zwei Klarinetten und Klavier gespielt (Hitomi Derow, Anton Keller und Israel Ereme)
             
Es war eine stimmungsvolle und gelungene Veranstaltung zu Ehren Fritz Bauers. Vielleicht kann es nun auch einen Fritz Bauer Preis für Schüler geben. Einen Fritz Bauer Preis für Erwachsene gibt es ja schon, er wird seit 1969 von der Humanistischen Union vergeben. Ein Preis für Schüler wäre sicherlich schön, vielleicht auch eines Tages nicht nur für Schüler des Ebelu..

Anfragen wegen Ausleihens der Ausstellung an: www.ebelu.de

U.D. (März 2013)

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