Die Fritz-Bauer-Ausstellung über den Remer-Prozess in Braunschweig
und der Film "Tod auf Raten" von Ilona Ziok

Über die Ausstellung "Der Prozess um den 20.Juli" -
Das Braunschweiger Verfahren gegen Otto Ernst Remer
im Landgericht Braunschweig vom 16.Juli - 28.September 2012

So wenig, wie es Fritz Bauer beim Remer-Prozess 1952 um Remer ging, so wenig geht es in der Ausstellung über den Remer-Prozess im Grunde um das "Verfahren um den 20.Juli", so bedeutend und folgenreich dies auch war.

So wie der Prozess gegen Otto Ernst Remer damals für Fritz Bauer ein Anlass war, sich grundsätzlich mit der Frage des Widerstandsrechtes auseinanderzusetzen, so ist die Ausstellung der Anlass, sich mit Fritz Bauer und seinem Impuls zu beschäftigen.

Dabei treten zunächst folgende Fragestellungen auf:

- Wie konnte es dazu. kommen, dass dieser ungewöhnliche und bedeutende Jurist in Deutschland nach seinem plötzlichen Tod 1968 völlig in Vergessenheit geraten konnte?

- Wie konnte es sein, dass seine zahlreichen Bücher, Aufsätze und Vorträge nie wieder veröffentlicht wurden - mit der Ausnahme des Buches "Die Humanität der Rechtsordnung", das inzwischen wieder vergriffen ist?

Es geht also um die Wiederentdeckung von Fritz Bauer und seinen außergewöhnlichen Aktivitäten. Das kann angesichts der hervorragenden Ausstellung schnell vergessen werden. Aber ohne das neue Interesse an Fritz Bauer - auch bewirkt durch den Fritz Bauer-Film von Ilona Ziok (2010) und die Fritz Bauer Biographie von Irmtrud Wojak (2009) - gäbe es die Ausstellung nicht.

Bei der Ausstellungseröffnung am 16.Juli (dem Geburtstag von Bauer) kam das kaum zur Sprache. Die meisten Anwesenden nahmen den - bisher weitgehend unbekannten - Remer-Prozess wohlwollend zur Kenntnis. Viele hatten sich wohl vorher auch noch kurz informiert, über den Prozess und Remer.

Das Wesentliche aber war Fritz Bauer selber, ein Kämpfer gegen seine Zeit, einer, der hartnäckig für Gerechtigkeit und Menschenrechte kämpfte und einen großen Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Deutschland nach dem Krieg leistete. Er war später Initiator der Auschwitz-Prozesse (von 1963-65), hatte für die Ergreifung Eichmanns in Argentinien gesorgt und Ermittlungen gegen Ärzte und Pfleger der NS-"Euthanasie" und gegen Juristen eingeleitet, die den Krankenmord juristisch abgesichert hatten. Der Remer-Prozess war ein wichtiger Anfang für diese Aktivitäten.

Den Anstoß für die Ausstellung gab die Berliner Filmemacherin Ilona Ziok. Bei ihren Dreharbeiten für den Film "Fritz Bauer - Tod auf Raten" war sie auf den Remer-Prozess von 1952 und dessen Bedeutung gestoßen. Fritz Bauer hatte in diesem Prozess den NS-Staat als "Unrechtsstaat" erklärt und in einem beeindruckenden Plädoyer die Männer des 20.Juli rehabilitiert. Der Prozess machte Fritz Bauer auch international bekannt.

Der Fritz-Bauer-Film - wie auch die großartige neue Bauer-Biographie von Irmtrud Wojak - liefern die Hintergründe, um die Bedeutung des Prozesses und seine Auswirkungen verstehen zu können. Der Remer-Prozess ist insofern nur ein Glied in der Kette eines markanten Handelns gegen den Zeitgeist, gegen das Vergessen und Verdrängen der NS-Vergangenheit in der noch jungen Bundesrepublik.

Das Besondere an Bauer war, dass er sich an internationalem Recht orientierte. Dort gab es z.B. den Tatbestand der "Verbrechen gegen die Menschlichkeit".  Schon in seinem Buch von 1944 "Die Kriegsverbrecher vor Gericht" hatte er Kriterien zur juristischen Verfolgung von NS-Tätern entwickelt, die später auch bei den Nürnberger Prozessen eine Rolle spielten. Die meisten seiner juristischen Kollegen orientierten sich am "deutschen Recht", das für das Ausmaß der NS.- Verbrechen nicht geeignet war. Insofern wurde die Straflosigkeit für NS-Täter in hohem Maße durch die deutsche Justiz begünstigt.

Fritz Bauer begann seine Tätigkeit als Generalstaatsanwalt 1950 in Braunschweig und agierte hier mit großer Entschiedenheit. 1956 wechselte er nach Frankfurt und wurde hessischer Generalstaatsanwalt, der immer wieder Prozesse an sich zog - auch gegen Widerstände in seiner eigenen Behörde.

Der Fitz Bauer Film zeigt nun in 97 Minuten den roten Faden in Bauers Handeln: über den Remer-Prozess, den Konflikt mit Globke, seinem entscheidenden Beitrag zur Ergreifung Eichmanns in Argentinien 1961 (indem er den Hinweis auf den Aufenthaltsort von Eichmann direkt an den israelischen Geheimdienst - und nicht an die deutsche Justiz - gab), dem Auschwitz-Prozess, die Auseinandersetzung mit dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz Orth über sein Buch "Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns", die Aktionen des Staatssekretärs im Justizministerium, Dreher, durch die Ergänzungen des Art. 132 zahllose NS-Täter durch die Hintertür reinzuwaschen, und die Aktionen von Bauer, durch eine Zusammenarbeit mit dem Vatikan eine Auslieferung des in Spanien untergetauchten NS-Täter Vorwerk zu erreichen.

Es war ein glücklicher Umstand, dass der Film kurz nach der Ausstellungseröffnung auch im Kino lief und so wieder zahlreiche Menschen erreichte. Die Resonanz und Wirkung bei den Zuschauern war enorm - vielen wurde jetzt erst überhaupt die Bedeutung von Fritz Bauer klar, und auch seine Aktualität.

Bei der Ausstellungseröffnung war der Film nur am Rande erwähnt worden. Inzwischen wird versucht, den Film und zahlreiches Begleitmaterial auch zu Fritz Bauer in die Ausstellung zu integrieren, um einen umfassenden Eindruck von dem gewaltigen Wirken des ehemaligen Generalstaatsanwaltes zu bekommen. Da diese Ausstellung eine Wanderausstellung ist, würde so der Impuls von Bauer für eine gerechte und menschenwürdige Justiz und Gesellschaft auch an anderen Orten bekannt werden. Fritz Bauer ist eben nicht nur ein historisches Thema, sondern ein Menschenrechtsimpuls, der durch Ausstellung, Film und Biographie nun auch wieder einer größeren Öffentlichkeit zugänglich werden kann.

In diesem Sinn kann von Braunschweig ein Impuls ausgehen, der durch das Zusammenwirken von Ausstellung und Film viele Menschen in Deutschland, aber auch in anderen Ländern erreichen kann.

Ein bekannter Satz von Fritz Bauer war: "Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich Feindesland." Die Zeiten haben sich geändert. Fritz Bauer wird wieder geschätzt und wiederentdeckt. Ausdruck dafür ist nicht zuletzt der neue Fritz Bauer Platz in Braunschweig, direkt vor der Generalstaatsanwaltschaft, gegenüber dem Dom von Heinrich dem Löwen.
U. Dittmann.

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