Ein Straßenschild als Mahnmal
Anmerkungen zur Benennung des Fritz Bauer Platzes am 11.09.2012 in Braunschweig

Die Benennung des Fritz Bauer Platzes in Braunschweig war schon etwas Besonderes. In einem offiziellen Akt der Stadt Braunschweig mit Vertretern aus Stadt, Justiz, Parteien und zahlreichen Bürgern wurde gegen 11.30 Uhr das Straßenschild "Fritz Bauer Platz" durch Oberbürgermeister Gerd Hoffmann enthüllt.

Das Straßenschild steht an markanter Stelle in der Innenstadt zwischen dem Domplatz (von dem ein Teil nun abgetrennt wurde) und dem neuen Fritz Bauer Platz. und ist nicht zu übersehen. Auf der einen Seite also der Dom und dahinter die Burg Heinrichs des Löwen aus dem 12.Jahrhundert und auf der anderen Seite das Landgericht und die Generalstaatsanwaltschaft. Es ist wie ein Symbol für Braunschweig.

Hier der Machtmensch Heinrich der Löwe, der großartige Bauwerke wie die Burg (1166) und den Dom (1173) in Braunschweig hinterließ (die auch den Krieg relativ unbeschadet überstanden), der aber durch seinen Übermut gestürzt wurde, als er Kaiser Friedrich Barbarossa die Unterstützung zu dessen Kriegszug in Italien verweigerte, um eigene Machtpolitik zu betreiben. - Und dort der Dienstbereich des Demokraten Fritz Bauers, der als Generalstaatsanwalt nach dem 2.Weltkrieg zunächst in Braunschweig versuchte, seine Ideale vom Rechtsstaat auch in seinen Prozessen zu verwirklichen. Nach seinem Wunsch wurde der Neubau der Generalstaatsanwaltschaft in den Jahren 1954-56 im skandinavisch-demokratischen Stil erbaut, worauf Generalstaatsanwalt Norbert Wolf in seiner Grußrede hinwies.

Fritz Bauer waren geschichtliche Zusammenhänge und Fakten durchaus bewusst und häufig werden sie in seinen Büchern und Vorträgen erwähnt. Zur Begründung des Widerstandes gegen den NS-Staat geht Fritz Bauer im Remer-Prozess von 1952 in seinem Plädoyer auch bis in die Zeit des Hochmittelalters zurück, er bezieht sich allerdings nicht auf Heinrich dem Löwen, sondern auf den Sachsen Eicke von Repgow und dessen Rechtssammlung von 1215, dem "Sachsenspiegel". Dort hat das Widerstandsrecht und die Widerstandspflicht nach Bauer seine bedeutendste Formulierung gefunden - zeitgleich mit der Magna Charta in England, die ihrerseits 1215 das Widerstandsrecht der englischen Barone regelte. "England und die ganze demokratische Welt blicken stolz auf das Jahr 1215. Deutschland, dessen Demokratie bisher historische Markensteine zu entbehren schien, hätte allen Anlass, seines Jahres 1215 zu gedenken, in dem Eike von Repgow dem Selbstbewusstsein und der Selbstverantwortung deutscher Menschen ein Denkmal setzte. Der 'Sachsenspiegel' hat zwar nicht wie die Magna Charta Schule und Geschichte gemacht, er ist aber doch ein auch noch in unsere Zukunft weisendes Zeichen demokratischer Mündigkeit." (Bauer, 1962)

Bauer bezieht sich im Remer-Prozess aber nicht nur auf Eike von Repgow, sondern stellt auch andere historische Bezüge im Plädoyer her. Dort erwähnt er, dass es sich bei diesem Prozess um die "Wiederaufnahme" des Verfahrens um die Männer des Widerstandskampfes vom 20.Juli handelt, das 1944 vor dem Volksgerichtshof von Roland Freisler durchgeführt wurde. Jetzt, einige Jahre später, sollen Richter eines demokratischen Rechtsstaates klären, ob die Männer des 20.Juli Hoch- und Landesverräter waren oder ob sie ohne Vorbehalt und Einschränkung rehabilitiert werden können. -

Das Straßenschild steht auffällig an der Grenze zwischen beiden Plätzen und weist zur Generalstaatsanwaltschaft hin. Dort stehen - wie bekannt - an der Außenmauer die Worte aus dem Grundgesetz "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt". Fritz Bauer hatte sie anbringen lassen. - Neu ist auch die Hinweistafel, die ganz in der Nähe angebracht ist und die erstmals den Bezug Bauers zu Braunschweig enthält (anders als die Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus in der Jasperallee) und den Besucher über Bauer informiert.

Die Entscheidung zur Platzbenennung im Bezirksrat Innenstadt war einstimmig gewesen (bei einer Enthaltung), und auch die Stadt hat in ungewohnter, unbürokratischer Zügigkeit der Entscheidung zugestimmt. Entstanden aus einer Bürgerbewegung hat sich ein breiter Konsens in der Stadt gebildet, der von allen wichtigen Gruppierungen getragen wurde und Ausdruck eines deutlichen Bekenntnisses zum Rechtsstaat ist.

Aber werden einmal Zeiten kommen, in denen das vielleicht wieder in Frage gestellt wird? Der Platz und das auffällige Straßenschild werden ein Zeichen und ein Gradmesser dafür sein,
ob demokratische Haltungen und Werte in der Stadt geachtet werden, oder ob sich antidemokratische Kräfte in der Stadt entwickeln, die eines Tages vielleicht auch Kritik an der Entscheidung der Stadt üben oder sogar die Platzbezeichnung in Frage stellen. Insofern mag das Straßenschild auch ein Mahnmal sein und an die Bedeutung von Menschenrechten und Menschenwürde in einem demokratischen Rechtsstaat erinnern.

Mögen solche Zeiten nicht kommen bzw. wiederkehren. Sondern dass Handlungen wie diese Platzbenennung zeigen, dass die Demokratie in Deutschland stark genug ist, um in einem geeinten Europa ein stabiler und zuverlässiger Partner zu sein und das Bekenntnis zum Rechtsstaat nicht nur bloße Worte sind, sondern Ausdruck einer tief verwurzelten Haltung - jetzt und auch in Zukunft.

Gerade das war aber auch das Anliegen Fritz Bauers, als er nach dem Krieg wieder nach Deutschland zurückkehrte. In einem Interview sagte er 1962: "... weil ich glaubte, etwas von dem Optimismus und der Glaubwürdigkeit der jungen Demokraten in der Weimarer Republik, etwas vom Widerstandsgeist und  Widerstandswillen der Emigration im Kampf gegen staatliches Unrecht mitbringen zu können... Schon einmal hatte die Justiz, als es galt, die Demokratie zu verteidigen, ihre Macht missbraucht, und im Unrechtsstaat der Jahre 1933 bis 1945 war der staatlichen Verbrechen kein Ende. Ich wollte ein Jurist sein, der dem Gesetz und Recht, der Menschlichkeit und dem Frieden nicht nur Lippendienste leistet."

Insofern war die Platzbenennung in Braunschweig schon etwas Besonderes...

U.Dittmann (2012)

 

Neue Gedenktafel vor der Generalstaatsanwaltschaft
Fritz Bauer
geb. 16.09.1903                              gest. 01.07 1968

Dr.jur. Fritz Bauer wirkte von 1950 bis 1956 als Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht Braunschweig. Den Bau der Generalstaatsanwaltschaft (1954-1956) hat er persönlich initiiert und die Gestaltung des Gebäudes maßgeblich beeinflusst.

Fritz Bauer wurde 1903 in Stuttgart geboren. Nach dem Jurastudium in Heidelberg, München und Tübingen war er seit 1930 als Richter tätig. 1933 wurde er von den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Herkunft und seinem politischen Engagement für die SPD zeitweilig inhaftiert und aus dem Richteramt entlassen. 1936 emigrierte er nach Dänemark und 1943 weiter nach Schweden. Bei Kriegsende kehrte Fritz Bauer vorübergehend nach Dänemark zurück, von wo aus der SPD-Politiker Kurt Schumacher ihn 1949 nach Deutschland holte.

Fritz Bauer trat erneut in den Justizdienst ein und übernahm 1949 das Amt des Landgerichtsdirektors in Braunschweig. 1950 zum Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht ernannt, begann Bauer sein Wirken für eine Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat. 1952 führte er in Braunschweig den Prozess gegen Generalmajor Otto Ernst Remer, der zur Rehabilitierung der "Männer des 20.Juli" führte. Durch das Urteil wurde erstmalig die Rechtmäßigkeit des Widerstandes gegen das NS-Regime anerkannt. In weiteren von ihm initiierten Verfahren, ab 1956 dann als Generalstaatsanwalt von Frankfurt am Main, bemühte Fritz Bauer sich nicht nur um eine konsequente strafrechtliche Verfolgung des im Nationalsozialismus begangenen Unrechts und der Rehabilitierung der Opfer, sondern auch um die Entwicklung eines demokratischen Rechtsbewusstseins innerhalb des bundesdeutschen Justiz. Er setzte sich zudem für eine Reform des Straf- und Strafvollzugsrechts der Bundsrepublik ein.

Insbesondere mit der Anklageerhebung Bauers im Frankfurter Auschwitz-Prozess von 1963 bis 1965 erreichte die Auseinandersetzung mit dem Holocaust in der Bundesrepublik erstmals eine öffentliche Dimension.
(Text der Gedenktafel)

Braunschweig und Heinrich der Löwe (1129/30- 1195)
Ein geschichtlicher Exkurs für Auswärtige
Braunschweig versteht sich heute auch als Stadt Heinrichs des Löwen Wer mit der Bahn anreist, kann die Schilder am Bahnsteig mit dem Hinweis auf Heinrich dem Löwen kaum übersehen.

In der Zeit Heinrichs des Löwen erreichte Braunschweig seine größte geschichtliche Bedeutung. Er lebte im 12.Jahrhundert und war der Vetter von Friedrich Barbarossa. Als Herzog von Sachsen beförderte er die Kaiserkrönung von Friedrich im Jahr 1152 in entscheidender Weise und erhielt als Dank 1156 das Herzogtum Bayern als Reichslehen. Von Braunschweig aus gründete Heinrich der Löwe u.a. die Städte München (1158) und Lübeck (1159).
Zunächst unterstützte Heinrich der Löwe die Politik Friedrich Barbarossas, insbesondere im Kriegszug gegen Mailand (1159-62). Als Heinrich bei einem späteren Kriegszug nach Italien dem Kaiser die Unterstützung versagte, fiel er in Ungnade und wurde gestürzt. Die Reichslehen wurden ihm entzogen, und das damals mächtige Herzogtum Sachsen wurde aufgeteilt. Heinrich musste ins Exil nach England gehen. Braunschweig verlor dadurch seine
bedeutende Stellung im Mittelalter, die es auch später nicht wieder erlangte.

Übrigens war Heinrich der Löwe ein gebürtiger Schwabe wie Fritz Bauer. Er wurde um 1129 in der Nähe von Ravensburg geboren und kam 1139 nach Braunschweig.

Der Name Heinrich der Löwe geht auf eine Sage zurück. In den Jahren 1172/73 hatte Heinrich eine Wallfahrt nach Jerusalem unternommen und dort der Sage nach einen Löwen vor einer Schlange bzw. einem Drachen gerettet. Aus Dankbarkeit kehrte der Löwe mit Heinrich anschließend nach Braunschweig zurück. Auf dem Burgplatz vor dem Dom ist der Löwe in Bronze als Denkmal zu sehen.

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