Fritz Bauer und Roger Casement - ein literarisches Denkmal?

Über das Buch "Der Traum des Kelten" von Mario Vargas Llosa (2011)

Wer ist Roger Casement, und wo liegt der Bezug zu Fritz Bauer?

Roger Casement wurde 1864 in der Nähe von Dublin geboren und ging 1883 für einige Jahre in den Kongo, wo er für verschiedene Unternehmen arbeitete und dabei die unmenschlichen Zustände in der dortigen Kolonisierung kennenlernte. Im Jahr 1900 reiste er erneut in den Kongo, diesmal im Auftrag der britischen Regierung, um die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der einheimischen Bevölkerung zu untersuchen. Sein Bericht über die dortigen katastrophalen Bedingungen wurde 1904 veröffentlicht. Dies verstärkte den Druck auf den belgischen König Leopold II., was schließlich dazu führte, dass dieser die Kolonie, die sein persönliches Eigentum gewesen war, 1908 an den belgischen Staat übergab.

Die Bedingungen im Kongo waren dermaßen furchtbar, dass sie die oft schlimmen Umstände in anderen kolonisierten Gebieten an Grausamkeiten weit überstiegen. Der Bericht von Roger Casement hatte hier ein Zeichen gesetzt.

1910 sandte ihn die britische Regierung noch in das Amazonasgebiet, um auch dort die Vorwürfe von Folter und Misshandlungen an der dortigen Bevölkerung bei der Gewinnung von Kautschuk aufzuklären. Solche Vorwürfe waren gegen ein peruanisch-britisches Unternehmen erhoben worden, das in einem Gebiet am Rio Putumayo, das heute zu Kolumbien gehört, ein System von Zwangsarbeit errichtet hatte, dem schätzungsweise mehr als 30 000 Uitotos zum Opfer fielen. Bei der Firma handelte es sich um die Peruvian Amazonas Company, die von Julio Cesar Arana geführt wurde. Casement reiste als Leiter einer Kommission zunächst nach Iquitos, dann in die Urwaldgebiete am Rio Putumayo, wo er die Anschuldigungen in einer mehrmonatigen Mission verifizierte. Zurück in London, machte er die nahezu vollständige Ausrottung der Indios publik und erreichte damit, dass das Unternehmen von Aranas geschlossen wurde. (1).

Seine Verdienste zur Aufdeckung der Gräuel im Kongo und seine humanitäre Tätigkeit brachten Casement hohes internationales Ansehen ein, so dass er schließlich 1911 in England geadelt wurde. Als geborener Ire befand er sich aber in einem Zwiespalt, wandte sich von England ab und forderte ein Ende der jahrhundertelangen Besatzung Irlands von England. 1913 schloss er sich dann dem irischen Widerstand an und reiste während des 1.Weltkrieges nach Deutschland, um dort den irischen Widerstand mit Hilfe der Deutschen zu organisieren. Bei der Rückkehr nach Irland wurde er von den Engländern gefangen genommen worden und wegen Hochverrat, der Sabotage und Spionage gegen die Krone angeklagt. Am 3.August 1916 wurde er durch Erhängen hingerichtet. - In Irland galt Casement später als Nationalheld. Seine Berichte über die Gräuel im Kongo und am Rio Putumayo gerieten in Vergessenheit.

"Der Traum des Kelten" - ein literarisches Denkmal für Roger Casement
Nun hat der peruanische Schriftsteller Marion Vargas Llosa im Jahr 2010 ein beeindruckendes Buch mit dem Titel "Der Traum des Kelten" über Casement geschrieben, dass 2011 auch in deutsch erschien. Mit diesem Buch hat er mit Roger Casement einem Menschen ein literarisches Denkmal gesetzt, der durch seinen Einsatz für Menschenrechte und Gerechtigkeit wesentlich für die Abschaffung extremer Form von Folter, Misshandlung und Ausbeutung im Kongo und im Amazonasgebiet sorgte. In seinem Buch bezeichnet Vargas Llosa Casement auch als einen britischen Batholome de las Casas.

Mit einem Feingefühl hat Vargas Llosa die vielschichtige Persönlichkeit von Casement beschrieben, der durch seine Berichte so viel bewirkt hat, aber durch seine persönliche tragische Situation - als Ire in britischen Diensten - letztlich scheiterte,

In dem Einsatz für menschliche Werte und in seiner unnachgiebigen Haltung gibt es sicherlich Parallelen zwischen Casement und Fritz Bauer. Für Fritz Bauer wäre es sicher auch zu wünschen, dass sich ein Schriftsteller mit ihm beschäftigt, um ihn entsprechend zu würdigen und ihn damit auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Es braucht ja  nicht - wie im Fall von Casement - gleich ein Nobelpreisträger für Literatur zu sein.

Mario Vargas Llosa - ein Mensch "zwischen allen Stühlen"...
Vargas Llosa ist selber eine eindrucksvolle Person, im Dezember 2010 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Allein durch seine eigene Biographie wird verständlich, dass er sich einem solchen menschenrechtlichen Thema widmete.

Vargas Llosa wurde 1936 in Lima geboren. Er studierte zunächst in Lima, ging dann 1959 nach Europa, zunächst nach Madrid, später auch nach Paris, London und Barcelona und schrieb erste Erzählungen und Bücher. 1974 kehrte er nach Peru zurück und wurde im Fernsehen Leiter und Moderator eines politischen Programmes.(2)

In den 1980er Jahren wandte sich Vargas Llosa der Politik zu. Im Unterschied zu den meist linksgerichteten anderen südamerikanischen Intellektuellen vertrat er - selbst ursprünglich links - liberale Positionen und sah sich selbst als "liberal ohne weitere Zusätze, mit allem, was der Begriff traditionell bedeutet, politisch und intellektuell". (3) 1986 kritisierte er in Bezug auf Gabriel Garcia Marquez die seiner Ansicht nach einseitige und kritiklose Überbewertung des sozialistischen Modells durch einige lateinamerikanische Intellektuelle mit folgenden Worten:
"Daß ein Schriftsteller in dieser Weise den Führer eines Regimes beweihräuchert, in dem es viele politische Gefangene - darunter mehrere Schriftsteller - gibt, das eine rigorose intellektuelle Zensur praktiziert, nicht die mindeste Kritik duldet und Dutzende Intellektuelle ins Exil gezwungen hat, ist etwas, das mich, wie wir im Spanischen sagen, mit fremder Scham erfüllt." (4)

1990 bewarb sich Vargas Llosa um das peruanische Präsidentenamt und galt als Favorit. Es gewann aber der Außenseiter Alberto Fujimori in der Stichwahl mit 56,5 %. Daraufhin verließ Vargas Llosa die Politik und wandte sich wieder der Literatur zu. 1993 zog er nach Madrid (wo er die spanische Staatsbürgerschaft erhielt) und später nach London, wo er auch heute noch lebt.

Am 7.Oktober 2010 wurde bekannt gegeben, dass Vargas Llosa den Nobelpreis für Literatur "für seine Kartographie der Machtstrukturen und scharfkantigen Bilder individuellen Widerstands, des Aufruhrs und der Niederlage" (5) erhält. Inzwischen war sein Buch über Casement erschienen.

Viele von seinen Werken spielen in Peru, später auch in anderen Ländern.
Er kritisiert häufig undemokratische und korrupte links- und rechtsgerichtete Systeme und setzte sich auf Grund seiner ideologieunabhängigen Kritik gegenüber allen antidemokratischen und die Menschenrechte missachtenden Regierungen "zwischen alle Stühle" und wurde sowohl von links- wie rechtsgerichteten Personen sowie z.T. in der westlichen Öffentlichkeit scharf angegriffen. Dem stehen zahlreiche Ehrungen für sein Schaffen durch Organisationen gegenüber, die der Demokratie und dem Humanismus verpflichtet sind. (6).

Ein Roman über Fritz Bauer?
Es wäre Fritz Bauer zu wünschen, dass sich auch ein Literat mit ihm beschäftigen würde, der ein Gespür für Menschenrechte und Freiheit hat, wie es Vargas Llosa in diesem Buch über Casement zeigt. Es muss ja nicht unbedingt ein Nobelpreisträger für Literatur sein - für Roger Casement war es sicherlich ein Glücksfall.

Das Buch "Der Traum des Kelten" ist jedem zu empfehlen, dem Menschenrechte und ihre Verwirklichung ein Anliegen sind. Das Buch ist spannend und einfühlsam geschrieben und hebt die unvorstellbaren Gräuel im Kongo zur Zeit des belgischen Königs Leopold II. wieder ins allgemeine Bewusstsein. Und es gelingt Vargas Llosa, von diesen Gräuel eine Ahnung zu vermitteln, ohne die Grausamkeiten ausführlich zu beschreiben. Insofern ist es wirklich ein Werk der Menschenrechtsliteratur, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt und zeigt, was einzelne Menschen bewirken können.

U.D.

 

Anmerkungen:
1. www.wikipedia.org/wiki/Roger_Casement    S.2   
2. www.wikipedia.org/wiki/Mario_Vargas_Llosa    S.2  
3. Vargas Llosa, zitiert nach www.wikipedia.de/wiki/ Mario_Vargas-Llosa  S.2
4. a.a.O. S.3
5. a.a.O. S.3
6. a.a.O.  S.4

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