Wagners Schrift: "Das Judentum in der Musik" von 1850
Ein Klassiker der bösartigen antisemitischen Texte - ein Vorbote des Holocaust?

Die Schrift "Das Judentum in der Musik" von Richard Wagner aus dem Jahr 1850 gehört zu den bösartigen klassischen Texten des Antisemitismus. Wagner hatte sie zunächst unter dem Pseudonym  G.Freigedank in der "Neuen Zeitschrift für Musik" veröffentlichen lassen. (1) Diese Zeitschrift war 1834 von Robert Schumann gegründet worden und orientierte sich an romantischer Musikauffassung. Schumann hatte sich dann 1844 aus der Zeitschrift zurückgezogen; sein Nachfolger wurde Franz Brendel, der die Zeitschrift dann in den Jahren 1845-1868 herausgab. Dieser veröffentlichte den Text von Wagner, ohne sich jedoch von Inhalten zu distanzieren -  wegen "der geistigen Freiheit", wie er meinte. Die Schrift erreichte zunächst nur ein kleines interessiertes Fachpublikum, rief einige scharfe Reaktionen hervor, blieb aber noch ohne größere Wirkung. Viele der Leser ahnten, dass Wagner der Verfasser sei, allerdings gab der Herausgeber Brendel den Namen nicht preis.

Dann ließ Richard Wagner die Schrift im Jahr 1869 noch einmal erscheinen, jetzt unter seinem richtigen Namen und versah sie mit einem ausführlichen Nachwort, in dem eine weitere Verschärfung des Textes erfolgte. Und nun erreichte sie eine Breitenwirkung, dass man in dieser Schrift eine Art Vorläufer der um 1879 ausbrechenden antisemitischen Welle sehen kann. (2) In der Forschung wurde oft nur der Text von 1850 behandelt; dies ergibt aber nur ein unvollständiges Bild, da erst die erweiterte Zweitpublikation von 1869 eine Wirkung "mit durchschlagender Wucht" erzielte. (3)

Es ist oft die Frage behandelt worden, inwieweit in dieser Schrift ein direkter Vorläufer der die Judenvernichtung im Holocaust im 20. Jahrhundert zu sehen ist. Die Frage ist nur schwer zu beantworten - man wird sie wohl offen lassen müssen. Trotzdem sollte die Schrift analysiert werden, in ihren Inhalten sowie in ihren Auswirkungen. Beides ist in der Öffentlichkeit nicht so bekannt und wird auch gern von seiner Musik abgetrennt.

Gerade aber das ist ein Problem. Man kann den Menschen Wagner mit seinen Ideen nicht von seiner Musik trennen. Sonst sind viele Phänomene bei Wagner - auch in seiner späteren Zeit nicht zu verstehen, z.B. wenn ausgerechnet der Jude Hermann Levi, eine der besten Dirigenten seiner Zeit, das "heilige Bühnenweihspiel 'Parsifal' aufführen sollte. Wagner aber hatte große Probleme damit und stimmte schließlich nur unter Vorbehalten zu. Oder wenn man an die "Patronatsscheine" denkt, mit denen später die Richard-Wagner- Vereine Geld einsammeln, wollten, um weitere Aufführungen der Bayreuther Festspiele zu finanzieren. Diese durften nicht an Juden ausgegeben werden.

Der Antisemitismus bei Wagner ist gravierend. Aber auch der weitere Verlauf nach seinem Tod 1883 ist wichtig, da in seiner ganzen Familie der Antisemitismus eine bedeutende Rolle spielte, so bei seiner Ehefrau Cosima Wagner (1837-1930),  seinem Schwiegersohn Houston Steward Chamberlain (1855-1927) und seinem Sohn Siegfried Wagner (1869-1930). Dessen Frau Winifred Wagner war eine glühende Hitler-Verehrerin. (4) Von Richard Wagner führen so direkte Wege zu Hitler und dem Nationalsozialismus. (5) Bayreuth, mit seinem "Bayreuther Kreis" und den Festspielen, wird so zu einem der wichtigen Zentren für Nationalsozialismus, Rassentheorie und Antisemitismus. Schon zu Richard Wagners Zeiten fühlten sich Antisemiten aller Art von Wagner und Bayreuth angezogen. Diese Entwicklung setzte sich seinem Tod fort - bis hin zu Hitler, der gern gesehener Gast im Haus Wahnfried war.

Aber auch nach 1945 gibt es problematische Entwicklungen. Diese sind aber wiederum ein eigenes Kapitel und wirken sich nicht zuletzt tief in dem problematischen Verhältnis des Wagnerenkels Wolfgang Wagner und seinem Sohn Gottfried Wagner aus. (6)

Antisemitismus, offene und versteckte Judenfeindschaft spielen so in der Wagner-Familie traditionell eine zentrale Rolle. Bei Richard Wagner sind die Anfänge zu erkennen. Und es ist fast klassisch an ihm zu sehen, wie aus einer Mischung aus Neid und Missgunst sich bei ihm eine antisemitische Haltung entwickelt, die anfangs noch gar nicht vorhanden war. (7)

Die Schrift "Das Judentum in der Musik" von 1850 ist ein erster Ausdruck davon und erfährt in seinen späteren Schriften eine weitere Steigerung. Durch die Bedeutung von Richard Wagner als Musiker und Komponist erhalten aber auch seine Schriften ein großes Gewicht - so wird er - mehr oder weniger - ein "Vorbote" (8) des neuen Antisemitismus.

U.D.

Anmerkungen.
1. Die Schrift von Richard Wagner: "Das Judentum in der Musik" ist in den Fassungen von 1850 und 1869 abgedruckt in: Jens Malte Fischer: Richard Wagners 'Judentum in der Musik' "
Frankfurt. 2000.
2. siehe Jens Malte Fischer: a.a.O. S.16
3. ebd. S.16
4.siehe: Brigitte Hamann: Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth. München. 2003
sowie Klaus Umbach: Das herrscherliche Wurzelweib (in Spiegel-online)  www.spiegel.de/spiegel/print/d-22644322.html
5. Joachim Köhler: Wagners Hitler. Der Prophet und sein Vollstrecker. München.1997.
6. Gottfried Wagner: Wer nicht mit dem Wolf heult. Autobiographische Aufzeichnungen eines Wagner-Urenkels. Köln 2010.
7. siehe auch: Jens Malte Fischer: a.a.O.
8. Jacob Katz: Richard Wagner. Vorbote des Antisemitismus. Königstein/ Ts. 1985.

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