Theaterstücke über Fritz Bauer

Theater war für Fritz Bauer schon immer wichtig gewesen. Er ging regelmäßig ins Theater und in seinen Aufsätzen, Vorträgen und Büchern findet man viele Zitate aus Theaterstücken, insbesondere aus Schillers "Wilhelm Tell".

Zur Zeit der Auschwitz-Prozesse gab es zwei bedeutende  Theateraufführungen: "Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth (1963) und "Die Ermittlung" von Peter Weiss (1965). Über Bezüge von Bauer zu Hochhuth gibt es wohl keine weiteren Hinweise, während das Stück "Die Ermittlung" wurde von ihm  schon während der Entstehung tatkräftig unterstützt, wie es Irmtrud Wojak in ihrer Fritz Bauer-Biographie ausführlich beschreibt. (1)

Interessant ist nun, dass es in der Zeit des großen Vergessens von Bauer - also nach seinem plötzlichen Tod 1968 - ab 2001 zwei Theaterstücke über ihn entstanden sind, die Fritz Bauer selber in den Mittelpunkt stellen: "Jasager, Neinsager, Ansager" von Gilbert Holgang (2001) und "Alles was Recht ist" von Gerold Theobalt (2009). Interessant ist auch, wie die Stücke entstanden sind - indem man weithin unbekannte Inhalte durch das Theater einem größeren Publikum wieder zugänglich machen wollte. Über beide Stücke und ihre Entstehung soll im Folgenden berichtet werden.

 

"Jasager, Neinsager, Ansager" von Gilbert Holzgang (2001)
Dokumentarische Aufführung über den 20.Juli, den Remer-Prozess und das Fernsehen der Fünfziger Jahre

Gilbert Holzgang, 1949 in der Schweiz geboren, lebt seit 1996 in Braunschweig. Er ist seit 2000 freischaffender Dramaturg und Regisseur beim Theater "Zeitraum" und am Staatstheater  in Braunschweig und schreibt zu historischen Stoffen Theaterstücke, wobei er sich eng an die geschichtlichen Vorgaben hält.

2001 wählt er den Remer-Prozess von 1952 und die Prozessführung von Fritz Bauer aus. Das Stück wurde im Oktober/ November 2001 im Braunschweig- Kolleg und im September 2002 in der Vertretung des Landes Niedersachsen in Berlin aufgeführt.

In der Braunschweiger Presse erhielt das Stück gute Kritiken. Auch wurde darauf hingewiesen, dass Holzgang eine Benennung einer Straße nach Fritz Bauer vorschlug. Damals aber wurde noch nichts daraus, Fritz Bauer war in der Stadt noch zu unbekannt; die Zeit dafür war noch nicht reif.

Wer andere Stücke von Gilbert Holzgang kennt, der weiß, wie sorgfältig er recherchiert und wie hervorragend seine Stücke für die Bühne bearbeitet sind. Ein Beispiel ist sein neues Stück über Galka Scheyer und Lyonel Feininger (2012). Weitere Informationen zu Holzgang und seinen Stücken sind auf der Webseite www.theater-zeitraum.de zu finden.

Im folgenden ein Text von seiner Webseite über das Stück "Jasager, Neinsager, Ansager", der einen guten Eindruck über Inhalt und Konzeption des Stückes vermittelt:
"Auf vielen Versammlungen der Sozialistischen Reichspartei (SRP) in Niedersachsen beschuldigte der ehemalige Generalmajor Otto Ernst Remer die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 als Landesverräter, "die vom Ausland bezahlt wurden". Gegen diese Verleumdung erhob der damalige Innenminister Dr. Robert Lehr Klage vor dem Landgericht Braunschweig. Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer nahm den Fall an sich mit dem Ziel, die vom Volksgerichtshof 1944 zum Tode verurteilten Widerstandskämpfer des 20. Juli "ohne Vorbehalt und ohne Einschränkung zu rehabilitieren, auf Grund der Tatsachen, die uns heute bekannt sind, auf Grund des damals und heute, des ewig geltenden Rechts."
Der Prozeß gegen Otto Ernst Remer fand zwischen dem 7. und dem 15. März 1952 vor dem Landgericht Braunschweig statt und erregte großes Aufsehen.
Die szenische Rekonstruktion der wichtigsten Verhandlungsabschnitte ist möglich, weil ein großer Teil der Prozessakten und bisher unausgewertete Handakten von Fritz Bauer im Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel aufgehoben sind. Wörtlich zitiert werden ausserdem viele Briefe aus allen Teilen Deutschlands, die beim Landgericht Braunschweig eingingen, sowie ein Tonbandmitschnitt des Nordwestdeutschen Rundfunks von Teilen der Verhandlungen. Zahlreiche Ausschnitte aus Kinowochenschauen und bisher unveröffentlichtes Filmmaterial vermitteln einen optischen und akustischen Eindruck vom Leben der Bevölkerung und von der Berichterstattung zur Zeit des Kalten Krieges.
Ergänzt wird die Aufführung durch Zeitschriftenartikel über das deutsche Fernsehen der Fünfziger Jahre, hat dieses Medium doch in starkem Maße einen Neuanfang symbolisiert und Zukunftsmodelle in die Wohnzimmer gezaubert. Gleichzeitig hat es dazu beigetragen, die NS-Zeit zu verharmlosen.
Das Verhalten der SRP nach dem Verbot durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und das Verhalten Remers, der bis zu seinem Tod in Spanien 1997 Geld für rechtsextreme Organisationen sammelte (ein Nachruf im Internet dankte es ihm), regen an zu Gedanken über den Umgang mit rechtsextremen Parteien und Personen der heutigen Zeit. " (Quelle: www.theater-zeitraum.de)

"Alles was Recht ist" - Schaupiel von Gerold Theobalt (2009)
Während das Stück von Gilbert Holzgang aus einem lokalen Bezug, dem Remer-Prozess in Braunschweig, entstanden ist, hat das Schauspiel von Gerold Theobalt einen ganz anderen Ursprung.
"Alles was Recht ist" sei eine Auftragsarbeit gewesen. Eigentlich sollte das Thema "60 Jahre Grundgesetz" sein. "Aber ich wollte lieber von dem Mann erzählen, der das Grundgesetz umgesetzt hat.", sagt Theobalt. (2) Er erinnerte sich dabei an eine schwedische Bekannte, die ihn Anfang der 90iger Jahrte auf die Lebensgeschichte von Fritz Bauer hingewiesen habe, die in Deutschland fast vergessen sei.
Das Stück umfasst die Jahre von 1952 bis 1961. Es behandelt den Remer-Prozess, die Ergreifung Eichmanns in Argentinien, und es wird in fiktiver Weise Bauer mit Hans Globke in Verbindung gebracht, der als Kommentator der Reichsrassengesetze von 1935 bekannt wurde. Globke wurde nach dem Krieg unter Adenauer Staatssekretär und der zweite Mann hinter Adenauer, als "Graue Eminenz" in der neuen Bundesrepublik. Tatsächlich geriet Globke nicht in das Visier von Bauer - Adenauer legte schützend seine Hand über ihn.
Gerold Theobalt verarbeitet die historischen Fakten zu einem Lehrstück. Die Stuttgarter Presse lobt das Werk als sehr gelungen, insbesondere die Kontrastierung der beiden Figuren Bauer und Globke, die nicht gegensätzlicher hätten sein können.
Im folgenden ein Text zu dem Stück von der Webseite der Stuttgarter Schauspielbühnen:
"Nur mit Unterstützung bedeutender politischer Persönlichkeiten konnte der Stuttgarter Dr. Fritz Bauer, ein engagierter Sozialdemokrat, im Nachkriegsdeutschland die Berufung zum Hessischen Generalstaatsanwalt erhalten. Wäre es nach dem Willen von Bundeskanzler Konrad Adenauer gegangen, wäre Bauer in Bedeutungslosigkeit versunken. Jetzt, an einflussreicher Position, kann er sich endlich dem Thema zuwenden, das für sein Empfinden für den Aufbau einer jungen Demokratie und deren Rechtssystem in Deutschland unerlässlich ist: die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzudecken und die Schuldigen vor Gericht zu stellen.
Im Rahmen seiner Vorbereitungen der „Auschwitz-Prozesse“ stößt Bauer 1960 auf den Namen „Globke“ und ist wie elektrisiert. Dr. Hans Globke, ehemals maßgeblich an den Nu
̈rnberger Gesetzen beteiligt, mittlerweile Staatssekretär und engster Vertrauter Konrad Adenauers, ist für ihn einer der Vertreter, die nie für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen wurden, sondern sich als Opfer des Regimes darzustellen wussten. Nun aber hat er endlich die Möglichkeit, Globke zur Vernehmung vorzuladen und der Wahrheit etwas näher zu kommen...
Gesinnung und Pflichterfu
̈llung versus Gewissen und Verantwortungsgefühl: Die Gründerväter des Grundgesetzes wussten um die gegensätzlichen Kräfte in der jungen deutschen Demokratie. Auf der einen Seite diejenigen, die ein Ende der „Nazi-Riecherei“ forderten, auf der anderen Seite die Vertreter derer, die sich für die Aufklärung der NS-Verbrechen einsetzten. Diese konträren Rechtsauffassungen verkörpern geradezu phänotypisch die Protagonisten des Schauspiels. Anlässlich des 60. Geburtstages des Grundgesetzes beleuchtet der Autor diesen spannenden und spannungsgeladenen Prozess unserer jüngeren deutschen Geschichte." (3)
Weitere Infos auf der Webseite der Stuttgarter Schauspielbühnen  www.schauspielbuehnen.de/spielstaetten/.../alles-was-recht-ist.html sowie auf der Webseite von Gerold Theobalt www.1st-act.de
U.Dittmann (Braunschweig 2012)

 

Anmerkungen:
1. Irmtrud Wojak: Fritz Bauer (1903-1968) - Eine Biographie. München. 2009  S. 354ff
2. Gerold Theobalt, siehe www.1st-act.de
3. www.schauspielbuehnen.de/spielstaetten/.../alles-was-recht-ist.html

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