Fritz Bauer und das große Vergessen


Anmerkungen zu den Trauerreden von D.Hoffmann und R.Kempner hinsichtlich des Todes von Fritz Bauer im Jahr 1968

Es geht um Fritz Bauer. Wenn man die Reden von dem Juristen Diether Hoffmann und von von Robert M.W.Kempner, dem Stellvertreter des Chefanklägers in den Nürnberger Prozessen, liest, die diese zu seinem Tode 1968 gehalten haben und dann sieht, was daraus geworden ist, erscheint es fast tragisch.

Hoffmann und Kempner kannten Fritz Bauer noch persönlich und waren jeweils über viele Jahre hin mit ihm befreundet. Hoffmann beschreibt in seiner Rede, wie der Einfluss Bauers auf die jüngeren Juristen einzigartig war. "Er verstand es, wie kaum ein anderer, junge Menschen zu begeistern und um sich zu scharen" Hoffmann berichtet, wie er die Schrift von Bauer "Im Kampf um des Menschen Rechte" erworben hat, um sie später seinen Kindern zeigen zu können - und schließt seine Rede mit den Worten, diese Zeilen von Bauer auch "in unseren Kindern lebendig zu machen".

Kempner beginnt seine Rede mit dem 2.Buch Moses, als der Engel des Herrn in einer feurigen Flamme im Dornbusch erscheint: "Und der Herr rief zu Moses aus dem Busch: So gehe nun hin, ich will mit deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst." Und Kempner vergleicht Fritz Bauer hiermit: "Auch Fritz Bauer war jemand, der durch eine höhere Stimme gelehrt wurde, was er sagen sollte. Er war mehr als ein Reformer, er war mehr als hellhörig, er war prophetisch. Und deshalb, wie man manchen so sagt, 'unbequem'."

Was ist später davon übrig geblieben? Fast nichts. Ein Tiefpunkt war dann später vielleicht die Rede von Herbert Jäger im Jahr 1993: "Der Zeitablauf hat es deutlich gemacht. Die Wirkung Bauers war an seine Person gebunden..." Hier ist nicht mehr viel zu spüren von der besonderen Ausstrahlung Bauers und seiner Ideen, die auch in die Zukunft wirken könnten.

Immerhin ist 1995 in Frankfurt das Fritz Bauer Institut gegründet worden. Aber es hat sich wenig mit seiner Person beschäftigt. Es war ein Forschungs- und Dokumentationszentrum des Holocaust. Fritz Bauer war eher nur ein Namensgeber des Institutes, um seine Person, sein Wirken, seine Ideen und Schriften ging es weniger. Zwar erschien im Jahr 1998 die Sammlung von Aufsätzen mit dem Titel "Die Humanität der Rechtsordnung", die von Joachim Perels und Irmtrud Wojak herausgegeben wurde,, aber auch die ist inzwischen vergriffen und Restexemplare sind nur noch über den Versandhandel des Institutes zu erhalten.

Dann gab es noch den Forschungsauftrag des Institutes, an einer Biographie für Fritz Bauer zu arbeiten. Dies dauerte eine Zeit, es hatte länger als geplant gedauert. Schließlich erschien diese - von Irmtrud Wojak ausgeführt - im Jahr 2009. Es war ein wichtiges und gutes Buch, aber es war eigentlich erst ein Anfang. Darüberhinaus gab es keine Texte oder Bücher von Fritz Bauer, die veröffentlicht wurden. Und eine Gesamtausgabe der Schriften war zwar einmal ins Auge gefasst, aber dann wieder verworfen worden. War Fritz Bauer also doch nicht mehr zeitgemäß? Was bedeutet es, wenn keine Texte, Schriften oder Reden veröffentlicht werden? Ist die Person, sind die Ideen nicht mehr interessant, aktuell?

Vielleicht ändert es sich jetzt. Immerhin bestehen am Institut Überlegungen, einige der Schriften von Fritz Bauer herauszugeben. Da der Schwerpunkt des Institutes aber Holocaust-Forschung ist, besteht die Gefahr, dass nur die Texte von Bauer berücksichtigt werden, die mit der Thematik des Holocausts zusammenhängen. Das wäre schade, da die Ideen von Fritz Bauer viel umfassender sind. Im weiteren ist auch zum ersten Mal in Frankfurt eine Tagung geplant, in der es direkt um Fritz Bauer geht. Auch hier wäre es schön, wenn das ganze Spektrum von ihm erfasst werden könnte. Das Fritz Bauer Institut arbeitet ja eng mit dem Jüdischen Museum in Frankfurt zusammen. Darin liegt eine große Chance. Andererseits liegt darin aber immer wieder eine Gefahr, speziell das Jüdische an Fritz Bauer hervorzuheben. Damit wird man ihm jedoch nicht gerecht. Die jüdische Herkunft von Bauer ist sicherlich wichtig und hat sein Leben maßgeblich geprägt, sein Wirken geht aber weit darüber hinaus.

Auch die Biographie von Irmtrud Wojak lässt letztlich noch viele Fragen offen. Viele Dokumente und vor allem Zeitzeugen sind gar nicht berücksichtigt worden. So wird letztlich in dem Buch der Eindruck vermittelt, als handele es sich zwar um einen geselligen, aber im Grunde isolierten, einsamen Mann, der kaum Bekannte oder Freunde hatte, die sich zu ihm äußern würden. Tatsächlich gibt es allein in Braunschweig auch jetzt noch lebende Zeitzeugen, die Frau Wojak nicht kennen gelernt hat und so auch nicht in ihrem Buch erwähnt. So gibt es zahlreiche Briefe, Postkarten, Fotos von ihm, die noch nicht ausgewertet wurden. Ein sehr schöner und herzlicher Kontakt zum Beispiel bestand in Braunschweig zu der Familie Ausmeier, zu der er durch die SPD freundschaftlich verbunden war. Er nahm großen Anteil an der Geburt ihres Sohnes und schickte ihm später aus seinen Urlaubsorten in Italien und den USA schöne Karten, in denen seine Verbundenheit und Anteilnahme am Werdegang des jungen Menschen zum Ausdruck kam. Leider sind solche Zeugnisse in dem Buch von Irmtrud Wojak nicht zu finden. Oder auch Frau Deichmann, eine rüstige alte Dame von 93 Jahren, die in Braunschweig in einem Altersheim lebt. Sie war damals in der ganzen Braunschweiger Zeit von Fritz Bauer seine Vorzimmerdame und hat viele seiner Prozesse noch direkt miterlebt.

Weiterhin gibt es viele weitere Unterlagen wie Prozessakten, Randnotizen usw., die ebenfalls noch nicht ausgewertet wurden. Auch hier gibt es noch vieles zu erforschen. Vielleicht gibt es einmal noch Bücher zu Fritz Bauer, die diese Lücken schließen. Zum einen aus einem rein historischen Interesse. Darüberhinaus aber auch als Interesse an seinem Impuls, wie es 1968 bei Diether Hoffmann und Robert Kempner anklang. Wie hieß es dort noch? "... Er war mehr als hellhörig, er war prophetisch..."

Vielleicht kann das, was Menschen 1968 über ihn empfunden haben, wieder neue Kraft erhalten. Auch, indem wieder neue Schriften von ihm veröffentlicht werden, möglicherweise auch mit Übersetzungen in andere Sprachen. Ein Interesse außerhalb des deutschen Sprachraums kann durchaus bestehen, wie auch das Fritz Bauer Institut feststellt, da z.B. die lateinamerikanischen Staaten mit dem Problem der gerichtlichen Aufarbeitung der diktatorischen Vergangenheit ähnliche Erfahrungen haben wie Deutschland. Außerdem gab es wie in Argentinien mit Eichmann zahlreiche NS-Täter, die dort untergetaucht waren.

Und von dem Fritz Bauer Film "Tod auf Raten" gibt es inzwischen eine russische und polnische Übersetzung. Eine englische Übersetzung ist geplant. Wenn der Film in England gezeigt wird, wäre ein Buch mit Hinweisen auf Bauer sicherlich sinnvoll. Auch dürfte ein Interesse im Ausland wegen seiner markanten Person durchaus bestehen - man muss ihn nur näher kennenlernen.

U.Dittmann

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