Forum Bioethik
EU-Biopatent-Richtlinie

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(Stand: 18. Jan 2004)


Bio-Patent-Richtlinie Pressegespräch 2

Berlin, 17. Juni 2003
Bundesregierung soll sich für eine Überarbeitung der EU-Biopatentrichtlinie einsetzen


Die EU-Biopatentrichtlinie hätte schon bis Juli 2000 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Aus guten Gründen tun sich viele Mitgliedstaaten mit der Umsetzung der Richtlinie schwer. Nur 6 von 15 haben das umstrittene Regelwerk bis heute umgesetzt, den restlichen 9 Ländern – dazu gehören auch Deutschland und Frankreich – droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Im Verlauf der Verhandlungen zwischen Koalitionsfraktionen und Bundesregierung zeigten sich die Mängel der Richtlinie immer deutlicher: Es geht um die gerechte Beteiligung an geistigem Eigentum, um Forschungsfreiheit, um bezahlbare Medikamente und Therapien, um den freien Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen.

Aus diesem Grund fordern wir die Bundesregierung auf, sich parallel zur Umsetzung der Biopatentrichtlinie in nationales Recht für ihre Revision in Brüssel einzusetzen. Dies soll sowohl in einem Kabinettsbeschluss wie auch einem Beschluss des Deutschen Bundestages zum Ausdruck gebracht werden. Zwar hat die EU-Kommission für eine Neuverhandlung der Richtlinie das Initiativrecht, doch haben Mitgliedsstaaten, zumal wenn sie in der Mehrheit sind, die Möglichkeit, sich mit Nachdruck für eine verbesserte Richtlinie einzusetzen.

Ziel muss es sein, in den Bereichen Humangenetik, Pflanzenzüchtung und geistige Eigentumsrechte zu zeitgemäßen und problemadäquaten Lösungen zu kommen.


Wichtige Gründe für die Neuverhandlung:

§ Eine moderne Patentgesetzgebung ist – da sind sich alle Fraktionen des Deutschen Bundestages einig – wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Biopatent-Richtlinie ist nicht modern, sondern sie war schon veraltet, bevor sie 1998 überhaupt in Kraft trat. Die Patentgesetzgebung in Europa und Deutschland ist über hundert Jahre alt und orientiert sich am chemischen Stoffbegriff. Den Herausforderungen der modernen Biotechnologie, bei der die Erfindung weniger im stofflichen als in den biologischen Informationen und den damit verbundenen Möglichkeiten liegt, wird dieser Stoffbegriff nicht gerecht. Gene sind keine Stoffe im üblichen Sinn, sondern beinhalten Informationen, deren Bedeutung von ihrer Position innerhalb des Genoms und der Interaktion zwischen Zellen und Umwelt abhängt.

§ Im Laufe der letzten Jahre hat sich bei der Genomforschung herausgestellt, dass ein Gen bis zu mehrere tausend Funktionen kodieren kann. Demnach kann ein Wissenschaftler nach dem heutigen Stand des Patentrechts eine Funktion eines Gens angeben und bekommt alle nachträglich aufgefundenen Funktionen mitpatentiert. Dies führt zu "Vorratspatentierungen" und zu Monopolen einzelner Forscher oder Firmen auf Gene. Solche finanziellen Vorteile, die weit über die angemessene Erfinderbelohnung hinausgehen, sind vom Gesetzgeber nicht gewollt und behinderen künftige Forschung. Schon seit einiger Zeit wird diese Problematik verstärkt in wissenschaftlichen Fachzeitschriften wie Nature oder Science thematisiert.

§ Genetische Ressourcen müssen frei zugänglich bleiben, ohne dass die Erlaubnis von Patentinhabern eingeholt werden muss. Internationale Agrarforschungszentren warnen bereits vor den Auswirkungen der Biopatentierung (Nature, 6./7. Februar 2003). In der Praxis hätte die Patentierung biologischen Materials bereits dazu geführt, dass die Züchtung unbezahlbar wird - und nur noch große Konzerne mit „High Tech“ weiterzüchten würden. Langfristig kann diese Entwicklung Auswirkungen auf die Sicherung der Welternährung haben.

§ Ursprünglich sollte mit der Richtlinie die Patentierbarkeit von Pflanzensorten und Tierrassen verhindert werden. Denn damit wäre unter anderem der freie Zugang zu den genetischen Ressourcen für Züchter eingeschränkt, die für die Landwirtschaft wichtige neue Sorten entwickeln wollen. Anstatt Rechtssicherheit zu schaffen, hat sich in der Praxis jedoch gezeigt, dass die EU-Richtlinie hierzu unklare Formulierungen enthält. So sind demnach Pflanzensorten zwar grundsätzlich nicht patentierbar – es sei denn, ein Verfahren lässt sich nicht nur auf eine bestimmte, sondern auf mehrere Pflanzensorten anwenden. Im übertragenen Sinne wäre das ungefähr so, als dürfe man Orangen nicht patentieren, aber Südfrüchte generell schon.


Für weitere Rückfragen:
Sabine Riewenherm, Referentin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen für Gentechnik, Tel.: 227-51267, email: sabine.riewenherm@gruene-fraktion.de


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