Forum Bioethik
EU-Biopatent-Richtlinie

Auf der Website von Attac finden sich gute Pressegespräche (bei der AG Wissensallmende und freier Informationsfluß) zum Thema EU-Biopatent-Richtlinie.

www.attac.de/wissensallmende/bioagrarpharma/B90GR_biopatentrl_presse1.php - Abg
(Stand: 17. Jan 2004)


Bio-Patent-Richtlinie Pressegespräch 1

Berlin, 5. März 2003
Die Bio-Patentgesetzgebung in der EU und in Deutschland -
Stand, Probleme, Grüne Positionen



Ausgangslage

Die Umsetzung der EU-Biopatentrichtlinie in nationales Recht steht an. Sie hätte von allen EU-Ländern bis Juli 2000 umgesetzt werden müssen, bisher ist dies nur in sechs Mitgliedstaaten geschehen. Die Richtlinie ist in vielen EU-Ländern sehr umstritten, weil sie unter anderem sehr weit gehende Patente auf menschliche Gene, auf Teile des menschlichen Körpers sowie auf Pflanzen und Tiere erlaubt. Deutschland gehört zu den neun Mitgliedstaaten, die im Dezember letzten Jahres von der EU-Kommission aufgefordert wurden, die Richtlinie umzusetzen. Andernfalls droht eine Umsetzungsklage.

Grundsätzlich beurteilen Bündnis 90/Die Grünen Patente auf Lebewesen und biologisches Material – insbesondere auf Gene - sehr kritisch, unter anderem weil sie zu einer Ökonomisierung von Leben führen und die Forschung beeinträchtigen können. Kritik an der EU-Richtlinie kommt nicht nur von uns, sondern auch von zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Gruppen und Gremien. Dazu gehören unter anderem die Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“, der Bundesrat, das EU-Parlament, Greenpeace, Misereor, die Bundesärztekammer oder der Bauernverband.

In einer Pressemitteilung vom 24.07.2002 bekräftigte zum Beispiel der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe die Position des Weltärztebundes, dass das Genom des Menschen zum gemeinsamen Erbe aller Menschen gehöre und keine Handelsware sei. Er führt weiter aus: "Die Gefahr der Kommerzialisierung ist aber gegenwärtig größer denn je. Mit der Patentierung von menschlichen Genen und Stammzellen versuchen offenbar einige Firmen ‚Claims‘ abzustecken, damit nur ihnen die grundlegende Information für die Medikamente der Zukunft gehört. Deshalb brauchen wir verbindliche internationale Regelungen, die Patente in diesem Bereich auf Verfahren und einzelne Verfahrensschritte zur Herstellung gentechnisch veränderter Medikamente beschränken. Menschliche Gene dagegen sind keine Erfindungen, sondern Erkenntnisse über natürliche Gegebenheiten und dürfen deshalb auch nicht kommerziell verwertet werden."


Doppelstrategie: Umsetzung nur unter Ausnutzung der Spielräume und gleichzeitige Novellierung der EU-Richtlinie


Obwohl Bündnis 90/Die Grünen die EU-Richtlinie kritisch beurteilen, wird wohl kein Weg daran vorbei führen, sie in nationales Recht umzusetzen. Bei Ausschöpfung der Interpretationsspielräume kann eine Umsetzung ein Fortschritt gegenüber der geltenden Rechtslage sein. Erst letzte Woche zeigte sich bei der Debatte um das so genannte „Brüstle-Patent“ wieder, dass es nicht nur in der EU und beim Europäischen Patentamt rechtliche Unklarheiten zur Patentgesetzgebung gibt, sondern auch beim deutschen Patentgesetz.

Das Deutsche Patentamt in München hatte dem Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle bereits 1999 ein Patent erteilt (DE 19756864 C1), das sich sowohl darauf bezieht, Nerven-Vorläuferzellen aus embryonalen Stammzellen herzustellen, als auch darauf, Stammzellen zu züchten und diese als Transplantate bei Erkrankungen des Nervensystems einzusetzen. Unklar ist noch, ob sich dieses Patent auch – wie unter anderem die Umweltorganisation Greenpeace kritisiert - auf das Klonen menschlicher Embryonen bezieht.

Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass die Richtlinie auf EU-Ebene überarbeitet wird. Hierbei halten wir eine gemeinsame deutsch-französische Initiative für sinnvoll. Auch Frankreich hat die EU-Richtlinie noch nicht in die nationale Gesetzgebung überführt. Dies soll nun im Rahmen der Novellierung des französischen Bioethikgesetzes geschehen. In einer ersten Lesung am 30.1.2003 hat der französische Senat einen Gesetzesentwurf angenommen, in dem unter anderem die so genannten „Stoffpatente“ auf Bestandteile des menschlichen Körpers und auf Gensequenzen stark eingeschränkt werden.

In dem französischen Bioethik-Gesetzentwurf heißt es dazu: „Nicht zu den patentierbaren Erfindungen gehören der menschliche Körper in den unterschiedlichen Stadien von seiner Zeugung an und in seiner Weiterentwicklung, sowie die einfache Entdeckung eines seiner Elemente, worin die Gensequenz oder ein Teil der Gensequenz enthalten ist. Der Patentschutz einer Erfindung, die in der Technik der Anwendung einer Funktion eines Elements des menschlichen Körpers besteht, umfasst dieses Element nur in der Eigenschaft, dass es diese Anwendung erlaubt, die konkret und präzise in der Patentanmeldung beschrieben sein muss. (Art. L. 611-18)

Die Patentgesetzgebung in Europa und Deutschland ist über hundert Jahre alt und orientiert sich am chemischen Stoffbegriff. Den Herausforderungen der modernen Biotechnologie, bei der die Erfindung weniger im Stofflichen als in den biologischen Informationen und den damit verbundenen Möglichkeiten liegt, wird sie nicht mehr gerecht. Auch die EU-Biopatentrichtlinie hat hier nicht den nötigen Paradigmenwechsel vorgenommen.




Der umstrittenste Punkt: die Stoffpatente

Bündnis 90 / Die Grünen sehen die Frage der Stoffpatente – genau wie der französische Senat – als den umstrittensten Punkt in der EU-Richtlinie. Bei der Umsetzung in nationales Recht wollen wir die so genannten "Stoffpatente" auf eine konkret beschriebene Funktion begrenzen.

Einen Interpretationsspielraum für die Frage der Stoffpatente sieht im übrigen auch die EU-Kommission in ihrem Bericht „Entwicklung und Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie und der Gentechnik“, den sie am 7.10.02 dem EU-Parlament und dem Rat vorlegte.
Darin heißt es: „Einige Bestimmungen der Richtlinie gestehen den Mitgliedstaaten offenbar eine gewisse Flexibilität bei der Umsetzung in einzelstaatliches Recht zu. Aus den Ausführungen im Hauptteil dieses Berichts kann der Schluss gezogen werden, dass der Schutzumfang, der Sequenzen oder Teilsequenzen von Genen gewährt werden kann, weiterhin ein aktuelles Thema bleibt, das zu unterschiedlichen Auslegungen Anlass geben kann.“


Unsere Gründe für die Einschränkung des Stoffpatentes:

4 Die Biopatent-Gesetzgebung ist seit ihrer Erarbeitung Anfang der 90er und ihrer Verabschiedung im Jahr 1998 vom wissenschaftlichen Fortschritt überholt worden und muss dringend angepasst werden. Im Laufe der letzten Jahre hat sich bei der Genomforschung herausgestellt, dass ein Gen bis zu mehrere tausend Funktionen kodieren kann. Demnach kann ein Wissenschaftler nach dem heutigen Stand des Patentrechts eine Funktion eines Gens angeben und bekommt alle nachträglich aufgefundenen Funktionen mitpatentiert. Dies führt zu einer "Vorratspatentierungen" und zu Monopolen einzelner Forscher oder Firmen auf Gene. Solche finanziellen Vorteile, die weit über die angemessene Erfinderbelohnung hinausgehen, sind vom Gesetzgeber nicht gewollt und schränken künftige Forschungsanreize ein.

4 Eine Einschränkung des Stoffpatentes ist für den Forschungsstandort Deutschland förderlich, um die Forschung nicht durch strategische Patente einzuschränken. Ein unbeschränktes Stoffpatent würde dagegen Innovationen und Investitionen anderer Unternehmer - vor allem die kleinerer Unternehmen und Start-ups - behindern.

So schreibt der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V., der rund 300 vorwiegend mittelständige pharmazeutische Unternehmen und Biotechnologieunternehmen am Standort Deutschland vertritt, in seiner Stellungnahme zur Umsetzung der EU-Biopatentrichtlinie vom 12.2.2003: „Bei der Patentierung von Gensequenzen oder Teilsequenzen zur Herstellung eines Proteins legt der BPI großen Wert darauf, dass die Prüfungsrichtlinien des Deutschen Patent- und Markenamtes für diese Verwendung deutlich klarstellen, dass anzugeben ist, welches Protein oder Teilprotein kodiert wird und welche Funktion (gewerbliche Anwendbarkeit) es hat.“


4 Unbeschränkte Stoffpatente nutzen in den meisten Fällen große Firmen, die bereits eine Vielzahl von Patentanträgen gestellt haben bzw. bereits im Besitz von Patenten sind. Das führt zu Monopolstellungen z.B. bei der Entwicklung neuer Medikamente.

Dabei gibt es auch hier bereits kritische Stimmen. So antwortete Ende Januar Mark C. Fishman, Forschungschef von Novartis, in einem Interview mit der Basler Zeitung auf die Frage: „Was sagen Sie zur Patentierung aus der Sicht des Wissenschaftlers und als Forschungschef?“: „Als Wissenschaftler sage ich: Es steht außer Frage, dass die Patentierung von menschlichen Genen den Fortschritt in der Forschung verlangsamt, was eine unglückliche Entwicklung darstellt. Aus diesem Grund sollte man sich genau überlegen, was sinnvollerweise patentiert werden kann und was nicht.“



Neben den Stoffpatenten sind uns noch weitere Aspekte zur Patentierung wichtig:
§ Die Persönlichkeitsrechte müssen gesichert werden; es soll kein menschliches Körpermaterial ohne die Zustimmung des Menschen patentiert werden, von dem das Körpermaterial stammt. Da bisher andere Regelungen fehlen, schlagen wir – in Abstimmung mit Landes-Datenschützern - vorgeschlagen, eine freiwillige Mitteilung des Antragstellers vor, ob bei der Verwendung menschlicher Körpermaterialien eine Überprüfung durch die zuständige Datenschutzbehörde stattgefunden hat.

§ Unsere Kritik an der Patentgesetzgebung bezieht sich nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Pflanzen und Tiere. So musste Anfang Februar das Europäische Patentamt (EPA) zum Beispiel ein sehr weit reichendes Patent auf einen stark ölhaltigen Mais der Firma DuPont widerrufen. Von dem Patent wären viele Bauern in Süd- und Mittelamerika betroffen gewesen, die schon ihr Leben lang stark ölhaltige Maispflanzen anbauen, die dort natürlicherweise vorkommen. Oftmals sind es Gruppen wie Greenpeace, die auf diese zu weit gehenden Patente aufmerksam machen. Eine transparente Patentpraxis ist die Grundlage für einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Industrie- und der Entwicklungsländer beim Umgang mit geistigem Eigentum und biologischem Natur- und Kulturerbe.

§ Die Herkunft des „biologischen Materials“ muss vom Antragsteller angegeben werden, damit unter anderem nicht der Vorwurf der „Biopiraterie“ erhoben werden kann.
Dieser Aspekt ist zum Beispiel auch der großen Hilfsorganisation Misereor sehr wichtig. Ein Zitat aus einer Stellungnahme des Misereor-Referenten Bernd Nilles vom 19.3.2002 während einer Protestkundgebung zur EU-Richtlinie: „Ein weiterer zentraler Vorwurf Misereors besteht darin, dass das Patentsystem die Vorleistungen der Bauern vollständig ignoriert. Wir bezeichnen das als Biopiraterie: Biopiraterie bedeutet, dass genetische oder biologische Ressourcen ohne Zustimmung des Herkunftslandes bzw. der lokalen Gemeinschaften und indigenen Völker, die die Ressourcen bisher züchteten und nutzten, patentiert und genutzt werden.“



Für weitere Rückfragen:
Sabine Riewenherm, Referentin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen für Gentechnik, Tel.: 227-51267, email: sabine.riewenherm@gruene-fraktion.de


www.attac.de, info@attac.de, Tel +49 (0)69/900281-10, Fax -99
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