FAQ zum Europäischen Sozialforum (ESF)
 

Was sind das Weltsozialforum (WSF) und das Europäische Sozialforum (ESF)?

Auf dem Weltsozialforum (WSF) in Porto Alegre wurden im Januar 2002 sechs Tage lang unter dem Motto “Eine andere Welt in Frieden ist möglich” die zerstörerischen Auswirkungen neoliberaler Globalisierung analysiert und diskutiert. Es fand nach 2001 zum zweiten Mal statt. Es bietet den sozialen Bewegungen und Organisationen Raum zu Austausch und Diskussion und die Möglichkeit zur internationalen Vernetzung und Koordinierung – ohne selbst eine Organisation werden zu wollen. Das nächste Weltsozialforum wird vom 23. bis 28. Januar 2003 wieder in Porto Alegre stattfinden; im Jahr darauf voraussichtlich in Hydarabad in Indien. Die weltweite Bewegung hat sich das Ziel gesetzt, sozial und ökologisch nachhaltige Strategien und Alternativen zur weltweiten neoliberalen Liberalisierung und dem Primat ökonomischer Verwertung zu entwickeln.
Am letzten WSF haben 60.000 Menschen teilgenommen, doppelt soviel wie im Jahr zuvor – das ist aber auch die Grenze der Kapazitäten der Infrastruktur. Deshalb beschloss die Bewegung, sich künftig auch auf regionalen Sozialforen zusammenzufinden und damit noch mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen. Noch in diesem Jahr wird es Sozialforen in Asien, den Amerikas, Ozeanien, der Pan-Amazonas-Region geben, und das Europäische Sozialforum (ESF) in Florenz.
 

Wann und wo findet das ESF statt?

Das Europäische Sozialforum wird vom 6. bis 10. November im Konferenzzentrum von Florenz („Fortezza da Basso“, direkt im Stadtzentrum) stattfinden. Die Eröffnung ist am 6. abends, der Abschluss am 10 November.

Was läuft in Florenz ab?

Vormittags werden (am 7., 8. und 9. November) sechs Konferenzen (mit je etwa 2000 TeilnehmerInnen) parallel veranstaltet, nachmittags täglich ca. 50 Seminare und Workshops (mit jeweils bis zu 500 Teilnehmenden). Abends werden in den großen Sälen spezielle Themenveranstaltungen stattfinden. Um die inhaltlichen und politischen Veranstaltungen herum gruppiert sich ein vielfältiges kulturelles Angebot.

Um welche Inhalte geht es?

Die inhaltlichen Veranstaltungen des Europäischen Sozialforums (ESF) werden vom 7. bis 10. November 2002 unter dem Motto "Ein anderes Europa für eine andere Welt ist möglich" stattfinden. Nach dem jüngsten europäischen Vorbereitungstreffen in Thessaloniki am 13./14. Juli steht der Vorschlag für das Tagungsprogramm.

A) Konferenzen (vormittags)
Das Konzept für die Konferenzen gliedert sich in drei thematische Körbe (oder Achsen). Jede der Achsen hat sechs Schwerpunktthemen (jedes ist Thema einer der voraussichtlich 18 Konferenzen) mit weiterer Feingliederung:

I. Neoliberalismus und Globalisierung
1. Von der durch neoliberale Globalisierung geprägten Europäischen Union zu einem Europa der Alternativen
? Europa und die globalen Institutionen: WTO, GATS, IWF, Weltbank, G 8
? Wiederherstellung der Kontrolle über Finanzmärkte, Wirtschaft und Investitionen
? Wirtschaftsweise und Solidarität;
? Haushalts- und Steuerpolitik in Europa
2. Wasser, Luft und Boden: Europa gegen nicht-nachhaltige Entwicklung
? Lebensstandard und Konsumverhalten
? Privatisierung öffentlicher Güter und Vergesellschaftung ökologischer Kosten
? Alternativen: Recht auf Lebensqualität, Gesundheit und Wohlergehen
? Die Energiefrage
3. Mittel- und Osteuropa in der globalisierten Welt: Alternativen zum Neoliberalismus
? Folgen der Privatisierungen und Liberalisierungen
? Die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten
? Soziale Probleme und gemeinsame Alternativen
4. Europa ist nicht zu verkaufen: Erneuerung der Bürgerrechte braucht neue soziale Sicherheiten
? Der Niedergang und des europäischen Wohlfahrtsstaates und Chancen seiner Erneuerung: Gesundheitsfürsorge und Rentensysteme
? Nein zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen
? Familienpolitik und die Rechte von Frauen und Männern
5. Das Europa der Arbeitenden zwischen globaler Produktion und sozialer Fragmentierung
? Finanzkapitalistische Wirtschaft und ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse
? Arbeiterbewegung, Arbeitsplätze und der Kampf um soziale und politische Rechte
? Frauen und Jugendliche und die Veränderungen in Arbeitsorganisation und auf dem Arbeitsmarkt
? Bildung, Ausbildung und Arbeit
6. Europa und die Ernährungssicherheit
? Für eine sozial und ökologisch nachhaltige Gemeinsame Agrarpolitik, die sich der WTO-Politik nicht beugt
? Wissenschaft im Dienste der Gesellschaft: Patente, Gentechnik und wissenschaftliche Forschung unabhängig von Großkonzernen und gegen marktorientierter Verwertung von Leben
? Unvollständige Wirtschaftskreisläufe, Wegwerfgesellschaft und Nord-Süd-Handel: ein Teufelskreis

II. Krieg und Frieden
1. Europa und die neue Welt(un)ordnung
? Die UNO und das Völkerrecht
? Europa, die NATO und die „Gemeinsame Europäische Verteidigungspolitik“ („Euro-Armee“)
? Unterordnung oder Antagonismen im Verhältnis zu den USA: Sind dies die Alternativen?
2. Das Europa der Völker gegen den nicht enden sollenden Krieg
? Der 11. September: Bush-Doktrin, Afghanistan-Krieg und der „Krieg gegen den Terror“
? Westliche Welt und Islam: Dialog oder Zusammenstoß?
? Wie der Feind gemacht wird: Die Macht der Medien
? Irak: Der nächste Krieg?
3. Ohne Gerechtigkeit kein Frieden
? Konfliktprävention
? Widerstand gegen Krieg und Kriegspolitik
? Schaffung einer Welt der Solidarität und der nicht-zentralisierten Zusammenarbeit
4. Lokale Konflikte: Die europäische Verantwortung
? Europa und das Problem lokaler Konflikte
? Konfliktfälle: Palästina und Israel; Der Balkan; Die kurdische Frage; Tschetschenien
5. Soziale Kontrolle, Repression und Verweigerung von Rechten: Eine europäische Sicherheitszone?
? Einschränkungen von individuellen und sozialen Rechten
? Kriminalisierung sozialer Konflikte
? Militarisierung der Grenzen und Repressionsmaßnahmen gegen MigrantInnen
? „Europolizei“, „Eurojustiz“: Welche Politik braucht Europa?
6. Kriegsindustrie
? Rüstungsproduktion und Rüstungskonversion
? Verteidigungshaushalt, Sozialausgaben und Weltmarkt
? Kriegswirtschaft, Mafia-Schmuggel und Macht
? Waffen in Aktion: Krieg und das Leben unter dem Bombenhagel

III. Menschen- und Bürgerrechte/Staatsangehörigkeit/Demokratie
1. Von der Erklärung von Nizza zur Europäischen Verfassung: Die Krise der Demokratie in Europa und der Kampf für universelle Bürgerrechte
? Der Weg zu einem politisch konstituierten Europa
? Universelle Bürgerrechte und europäische Demokratie
? Eine andere Art von europäischer Integration: Partizipative Demokratie für ein demokratisches Europa
2. An der Seite der Rechtlosen, gegen soziale Ausgrenzung
? Ohne Inklusion keine freiheitliche Gesellschaft
? Regierungshandeln auf zentraler und lokaler Ebene und der soziale Kampf gegen den Almosen-Liberalismus
? Das Recht der Jugend auf eine gesicherte Zukunft: Autonomie, Arbeit und Einkommen
? Das Recht auf Wohnung
3. Das Erstarken der extremen Rechten und die sozialen Spaltungen Europas
? Soziale Unsicherheit, Chauvinismus, Nationalismus und Diskriminierung
? Politische Werte und die Ideologien der extremen und populistischen Rechten
? Der Kampf gegen soziale Ausgrenzung ist ein Kampf gegen den Rechtsextremismus
4. Information und Kultur sind Ressourcen der Menschheit: Von einem System der Monopole zu neuen individuellen und sozialen Rechten
? Informationsmonopole und Konzentrationsprozesse
? Die Erfahrungen unabhängiger Medien und alternativer Information
? Geistiges Eigentum und Wissen
? Die Bewahrung kultureller Verschiedenheit angesichts globaler Marktverhältnisse
5. Frauen und Männer: unvermeidlicher Konflikt in einer gemeinsamen Zukunft
? Arbeit und Erwerbsverhältnisse
? Patriarchalische Familie, Sexualität und Gewalt
? Macht und politische Vertretung
6. Einwanderer und die „Festung Europa“: Apartheid, soziale Konflikte und universelle BürgerInnenrechte
? Einwanderer und Flüchtlinge, Wege zu einer universellen Bürgerschaft
? Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa
? Beispielhafte Aktivitäten von MigrantInnen
? Migration zwischen den „zwei Europas“: Inklusion oder neue Diskriminierungen?

B) Seminare und Workshops (nachmittags)
Seminare und Workshops werden von teilnehmenden Organisationen oder Personen veranstaltet. Sie werden bei der Vorbereitungsgruppe angemeldet, die die Aufnahme in das Programm koordiniert.

C) Abendprogramme (18.00 - 20.00 Uhr)
Abendveranstaltungen finden in vier „Kategorien“ statt. Dazu gehören:

I. „Dialoge“ zu den Problemfeldern:
? Soziale Bewegungen und politische Parteien
? Soziale Bewegungen und der Kampf der Gewerkschaften
? Soziale Bewegungen und politische Institutionen
II. „Alternativen“:
? Gewaltlosigkeit, ziviler Ungehorsam und soziale Konflikte
? Gemeinwirtschaft und Staatsökonomie
? Partizipative (teilhabende) Demokratie
III. „Fenster zur Welt“:
? Israel - Palästina
? Der mediterrane Raum: Algerien, West-Sahara und Zypern
? Lateinamerika: Argentinien und Kolumbien
? Afrika: Das Gebiet der Großen Seen, das Horn von Afrika, südliches Afrika
? Von Afghanistan nach Irak
? Kaschmir – Konfliktfeld zwischen Indien und Pakistan
? Indonesien und die Philippinen – Instabilitäten nach der Asienkrise
? Die Rolle der Religionen in der Globalisierungskritik
IV. Die „Bewegung der Bewegungen“:
? Wo stehen wir mit dem ESF?
? Der G8-Gipfel in Frankreich
? Die Agenda der Zukunft
 

Wer bereitet das ESF vor?
Die entscheidenden Verabredungen über die Vorbereitung werden auf internationalen, offenen Treffen getroffen. Das erste fand am 9. und 10. März in Brüssel statt, das zweite vom 10. bis 12. Mai in Wien und das dritte vom 11. bis 13. Juli 2002 in Thessaloniki. Das vierte Treffen, das dann über das endgültige Programm beschließen wird, findet am 5. und 6. Oktober in Barcelona statt. Für die unmittelbare praktische Vorbereitung gibt es eine italienische Arbeitsgruppe, die mit einer internationalen Arbeitsgruppe zusammenarbeitet. Die italienische und die internationale Arbeitsgruppe bestehen aus jeweils drei Untergruppen: Programm, Vernetzung und Organisation. Von deutscher Seite wurden in Thessaloniki sowie auf dem deutschen Vorbereitungstreffen am 3. August in Frankfurt a. M. als Mitarbeiter in diesen Gruppen bestätigt: Angela Klein (Euromärsche) und Erhard Crome (Rosa-Luxemburg-Stiftung) für die Programmgruppe, Monika Bricke (felS) für Vernetzung und Hugo Braun (ATTAC) für Organisation. Die Programmgruppe trifft sich das nächste Mal vom 7. bis 9. September in Brüssel, um den Vorschlag für Barcelona vorzubereiten.

Wie läuft die Vorbereitung in Deutschland?
Ein breites gesellschaftliches Bündnis, das die Idee und den Prozess des Sozialforums trägt und das ESF und das WSF wirksam bekannt macht, hat sich auch in Deutschland gebildet. Es kümmert sich sowohl um inhaltliche als auch um organisatorische Fragen.
Das nächste Treffen wird am Sonntag, den 15. September in Bonn stattfinden.
Kontakt: Kooperation Brasilien, Tel.: 07663 - 942001, e-mail: KoBra-Mail@t-online.de. Diese Gruppe versteht sich nicht als »Leitung« der Vorbereitung. Jede und jeder ist eingeladen, teilzunehmen, mitzudiskutieren und Aufgaben zu übernehmen.

Welche Sprachen werden gesprochen?
In den Konferenzen und Abendveranstaltungen wird simultan übersetzt in Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch, Deutsch und Griechisch sowie – aus technischen Gründen – je zur Hälfte in Russisch und Arabisch. In den Workshops und Seminaren wird es i.d.R. Übersetzungen in einige Sprachen geben, abhängig von den Möglichkeiten der jeweiligen Ausrichter. Organisationen aus EU-Ländern und der Schweiz zahlen etwa 100 Euro mit der Anmeldung, die für die Unterstützung der Seminare anderer Veranstalter, insbesondere aus dem Osten Europas (die nichts zahlen), eingesetzt werden.

Wer kann daran teilnehmen?
Jeder und jede! Es gibt zwei Arten der Anmeldung: Organisationen, Gruppen usw. können sich als Organisationen anmelden, unter der Voraussetzung, dass sie die Prinzipiencharta des WSF unterzeichnen. Deren Mitglieder sind dann als Delegierte registriert. Einzelpersonen, die die Charta akzeptieren, nehmen ebenfalls als Delegierte teil, ansonsten als Beobachter.

Was kostet die Teilnahme?
Die Teilnahme des jeweiligen „Delegationsleiters“ kostet 50 Euro, die jedes weiteren Mitglieds der angemeldeten Delegation 30 Euro; der Beitrag von Einzelpersonen richtet sich nach dem Einkommen und beträgt zwischen 10 Euro (Monatseinkommen unter 1000 Euro) und 50 Euro (über 3000 Euro).

Wie melde ich mich an?
Bis zum 15. Oktober gibt es ein Anmeldeformular unter http://www.fse-esf.org . Die Organisatoren beabsichtigen, 5000 Unterkünfte gratis (für einkommensschwache und junge TeilnehmerInnen)und weitere 5000 zu günstigen Konditionen bereit zu stellen. (Die können derzeit noch nicht bei der Anmeldung mit gebucht werden; die spätere Vergabe wird jedoch sicherlich auch unter Berücksichtigung des Anmeldetermins erfolgen.)
Wer sich später entscheidet, muss sich selbst um eine Unterkunft kümmern.
Es werden auch Helferinnen und Helfer, darunter Freiwillige für Dolmetscher-Arbeit, gesucht; für sie gibt es ein eigenes Formular unter der gleichen web-Adresse.

Wer kann selbst einen Workshop oder ein Seminar anbieten?
Jede Gruppe, Initiative oder Organisation kann eigene Workshops und Seminare anbieten. Im Internet gibt es ein Formular unter
http://www.fse-esf.org/forms/propose_workshop.php.
Deadline für die Anmeldung ist der 7. September, weil vom 7. bis 9. September die internationale Vorbereitungsgruppe über den Vorschlag, welche Seminare und Workshops in das Programm aufgenommen werden sollten, für Barcelona entscheidet. Es empfiehlt sich, die Anmeldung möglichst bald zu machen.
In Deutschland wird gerade eine Liste mit Kontaktpersonen für verschiedene Themen gebildet. Es bietet sich an, vor der Anmeldung mit ihnen Kontakt aufzunehmen, damit man zusammenarbeiten kann und nichts doppelt macht.

Wo gibt es Informationen im Internet?
Die internationale Website: www.fse-esf.org,
die deutschen Websites: http://www.dsf-gsf.org und http://weltsozialforum.org.
Auf die deutsche Mailingliste kann man sich mit einer Mail an esf-de-subscribe@lists.riseup.net eintragen. Man bekommt eine Bestätigungsmail mit Infos, wie man an die Liste mailt und wie man sich wieder austrägt. Diese Mail bitte aufbewahren. Auf der deutschen Website kann man sich unter »Kontakt« eintragen.

Wie komme ich nach Florenz?
Es gibt Überlegungen für einen deutschen Sonderzug. Näheres erfährst Du rechtzeitig im Internet.

Stand: 16.08.02
für die Vorbereitungsgruppe: Erhard Crome und Gitti Götz

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