EU plant Ausweitung der Embryonenforschung
Bundesregierung will die Förderung hier verbotener Stammzellprojekte
verhindern
BERLIN, 24. April. Ungeachtet ethischer Bedenken in zahlreichen
europäischen Ländern plant die EU-Kommission langfristig
offenbar eine
deutliche Ausweitung der Embryonenforschung. In einem internen
Gutachten, das der Berliner Zeitung vorliegt, verweist die Kommission
auf die Potenziale der Forschung mit menschlichen embryonalen
Stammzellen und spricht sich für eine stärkere Förderung
des
umstrittenen Wissenschaftszweiges aus. Das Papier wurde am Donnerstag
erstmals in Brüssel von Vertretern der Kommission, den Mitgliedsstaaten
und des Europäischen Parlaments diskutiert. Es dient als Grundlage
für
die bevorstehenden EU-Verhandlungen zur Zukunft der Embryonenforschung.
"Die Stammzellforschung dürfte sich (...) ebenso bedeutend für
die
Grundlagenforschung wie für andere spezifische medizinische Anwendungen
erweisen", heißt es in dem Papier. Die meisten Wissenschaftler
hielten
deswegen eine Ausweitung der Forschung an humanen embryonalen
Stammzellen für erforderlich, schreiben die Kommissionsexperten.
Der Inhalt des Gutachtens ist besonders für die Bundesregierung
brisant:
Denn sollte diese Position reale Politik werden, würde die EU
zukünftig
mit deutschen Steuergeldern Projekte fördern, die mit deutschem
Recht
nicht vereinbar sind. In Deutschland beispielsweise untersagen das
Embryonenschutz- und Stammzellgesetz die Herstellung von Stammzellen
zu
Forschungszwecken, weil dabei Embryonen getötet werden müssen.
Auch das
therapeutische Klonen zur Gewinnung der Zellen ist verboten. Ohne das
Gewinnen "frischer" Zellen ist eine Ausweitung der Forschung aber nicht
denkbar.
Der Staatssekretär im Bundesforschungsministerium Uwe Thomas bestätigte,
dass es bei der EU eine "eindeutige Tendenz" zur Ausweitung der
Forschung gebe. Die Bundesregierung werde aber darauf bestehen, dass
die
bestehende deutsche Rechtslage respektiert und keine Projekte
unterstützt werden, die hier verboten seien, sagte Thomas dieser
Zeitung. Blockieren könne man die Kommissionspläne aber nicht,
weil
dafür eine qualifizierte Mehrheit erforderlich sei. Diese aber
sei nicht
in Sicht. Langfristig müsse Deutschland den Schulterschluss mit
Frankreich suchen, um in der EU einen Kompromiss zu finden. Die Pariser
Regierung denkt derzeit über eine Liberalisierung ihrer Gesetze
nach.
Der CDU/CSU-Sprecher in der Ethik-Enquetekommission im Bundestag, Thomas
Rachel, forderte die Bundesregierung dagegen auf, notfalls mit einem
Veto auf höchster Ebene zu verhindern, dass deutsches Geld für
die
verbrauchende Embryonenforschung ausgegeben werde. "Hier darf es keine
Kompromisse geben", sagte Rachel.
Hintergrund des Konflikts ist das beschlossene sechste
Forschungsrahmenprogramm der EU. Dieses ist mit 17,5 Milliarden Euro
ausgestattet. Davon sind zweieinhalb Milliarden Euro für die Förderung
der Biotechnologie vorgesehen. Für die meisten Projekte mit embryonalen
Stammzellen gilt wegen ethischer Bedenken in einigen Ländern noch
ein
Förderstopp. Im Herbst müssen die Forschungsminister dann
neu
entscheiden. Neben Deutschland gelten auch Italien, Irland und
Österreich als Skeptiker. Dagegen drängen Großbritannien
und Schweden
auf eine Ausweitung der Förderung. Dem scheint sich nun die Kommission
anzuschließen. Die Befürworter erhoffen sich medizinische
Fortschritte
bei der Behandlung schwerer Krankheiten wie Alzheimer.
"Die Bundesregierung darf keine EU-Projekte tolerieren, die hier in
Deutschland illegal wären. " CDU-Genexperte Thomas Rachel
Berliner Zeitung 25.04.2003
Autor: Jörg Michel
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28.04.2003
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