Forum Bioethik |
Aus: Gen-ethischer Informationsdienst GID Nr.145
– April/Mai 2001
Über den Nationalen Ethikrat
Nationale Ethik
von Uta Wagenmann
Der „Anschluß an eine Spitzen- und Schlüsseltechnologie
des 21. Jahrhunderts“ stehe auf dem Spiel, sollte sich „eine Politik grundsätzlicher
Verbote und ideologischer Scheuklappen“
durchsetzen, schrieb Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Weihnachtsausgabe
der Ham-
burger Zeitschrift „Die Woche“. Nur drei Monate später sind „grundsätzliche
Verbote“ in weite
Ferne gerückt. Dafür garantiert nicht nur der Personalwechsel
im Gesundheitsministerium,
sondern auch das neue Gremium für Ethik, an dem im Kanzleramt
gefeilt wird.
„Ethik ist auch die Verantwortung vor der wirtschaftlichen Entwicklung“,
sagte Bundeskanzler
Gerhard Schröder Anfang Februar auf einem Treffen mit SPD-KommunalpolitikerInnen
in
Rüsselsheim (1). Während der Kanzler in den letzten Monaten
seine Haltung zur Ethik der
Biowissenschaften immer wieder öffentlich auf den Punkt bringt,
wird die Einrichtung eines
„Nationalen Ethikrates“ hinter verschlossenen Türen vorangetrieben.
Insbesondere die
Frage, wer bisher für das Gremium vorgesehen ist, wird von den
beteiligten Ministerien
noch von der Bundesregierung beantwortet. „Unsere Personalvorschläge
sind nicht für die
Öffentlichkeit bestimmt“, so die Pressesprecherin des Forschungsministeriums
(BMBF). Die
Mitglieder des Ethikrates würden bekannt gegeben, wenn das Gremium
offiziell eingerichtet
Ist. Das dürfte aber nicht mehr lange dauern, denn „der Kanzler
möchte das möglichst
schnell über die Bühne bringen“. Aus der Pressestelle des
Gesundheitsministeriums (BMG)
heißt es, man mache Vorschläge, aber wer in der näheren
Auswahl sein, wisse nur das
Kanzleramt. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gibt
in einem Telefonat
Ende März lediglich den Hinweis, dass die Mitglieder des Nationalen
Ethikrates „hauptsäch-
lich“ aus dem kirchlichen und dem universitären Bereich kommen
werden. Es stünde aber
noch nichts fest. (2) Dagegen wird auf der Website der Bundesregierung
von einer
„Gesprächsrunde des Bundeskanzlers zur Bioethik und Gentechnik“
am 9.März berichtet.
Es sei zwar „nicht zwingend, dass alle Teilnehmer auch Mitglieder“
des Ethikrates werden,
man könne aber sagen, dass auf diesem Treffen „ein `Nukleus´
des Nationalen Ethikrates
versammelt war.“ (3)
Der harte Kern
Auch die Süddeutsche Zeitung bezeichnet die Teilnehmer und Teilnehmerinnen
des betref-
fenden Abendessens im Kanzleramt unter Berufung auf „gut informierte
Kreise“ als „harten
Kern des Ethikrates“. Bewahrheitet sich dieses Lesen im Kaffeesatz
des Kanzlers, kann die
politische Dienstleistungsfunktion des Gremiums auch personell von
vornherein als gesichert
gelten. So waren beim Kanzler mit der Präsidenten der Deutschen
Forschungsgemein-
schaft, Ernst-Ludwig Winnacker und dem Direktor des Max-Delbrück-Zentrums
für moleku-
lare Medizin, Detlev Ganten, Vertreter von Institutionen versammelt,
die an einer Lockerung
bestehender Verbote in der Biomedizin interessiert sind. Auch Rechtswissenschaftler
wie
die Befürworter eines deutschen Beitritts zur umstrittenen Bioethik-Konvention
des Europa-
rates, Jochen Taupitz, Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches
Internationales
Medizinrecht und Bioethik an den Universitäten Mannheim und Heidelberg
oder Medizin-
Ethikerinnen wie Christiane Woopen von der Universität Köln
und Bettina Schöne-Seifert
vom Zentrum für Wissenschaftstheorie und –ethik an der Universität
Hannover können
beim besten Willen nicht als kritische Stimmen gewertet werden. Lediglich
die Repräsen-
tanten der beiden großen Kirchen, Karl Lehmann und Manfred
Kock, haben sich zumin-
dest ab und an mit Bedenken zu Wort gemeldet.(4)
Brauchbare Ethik
Aber nicht nur die Geheimniskrämerei rund um die Personalien ist
ein Indiz dafür, dass
hier ein Gremium zum Abwinken der Kanzlerlinie geschaffen werden soll.
Es ist auch die
Idee einer zentralen Institution von Ethik-Experten selbst. „ Der deutsche
Ethikrat ist das
nationale Forum des Dialogs über ethische Fragen, die sich durch
den Fortschritt in den
Lebenswissenschaften stellen,“ heißt es in einer Erklärung
des Presse- und Informations-
amtes der Bundesrepublik vom 13.Februar 2001. „Er reflektiert die verschiedenen
gesell-
schaftlichen Positionen und gibt Impulse in die breite Öffentlichkeit.“
Ein solches zentrales
Gremium ist hervorragend geeignet, mit dem öffentlich vorgetragenen
Sowohl-als-auch
der Experten die Legalisierung umstrittener Technologien diskursiv
vorzubereiten. Nach
diesem Muster funktionieren Ethikräte in anderen europäischen
Ländern schon seit
langem.(5) Wiederholt hatten in den letzten Jahren auch in der Bundesrepublik
Befür-
worter einer möglichst liberalen Handhabung der Biomedizin die
Einrichtung eines
zentralen Ethikrates vorgeschlagen, angesiedelt beim Bundestag oder
Bundesrat. Dass
das Gremium nun beim Kanzleramt eingerichtet wird, nennt Christian
Geyer in der Frank-
furter Allgemeinen Zeitung „Scharlatanerie“. Schröder mache sich
„zu seinem eigenen
Kontrolleur und tut damit de facto, was er will.“ (6)
Klägliche Opposition
Politisch wird diesem Vorgang nichts entgegengesetzt. Kritik findet
lediglich auf Neben-
Schauplätzen statt. „Wir leben nicht in einer Präsidialdemokratie“,
kommentiert die Grünen-
Abgeordnete Monika Knoche, Mitglied der Enquete-Kommission Recht und
Ethik der moder-
nen Medizin, den Nationalen Ethikrat. (7) Der „Spiegel“ berichtet in
seiner Ausgabe vom
19.03.01 von „heftigem Gerangel“ um die Besetzung der Ethik-Zentrale
des Kanzlers. Nach-
dem „zunächst vor allem Verfechter eines liberalen Kurses in der
Biotechnologie eingeladen“
wurden, würden nun „die Grünen und Teile der SPD“ darauf
drängen, auch Gegner der Prä-
implanationsdiagnostik zu berufen. (8) Der Ethikrat selbst wird kaum
in Frage gestellt. Auch
die Gruppen und Initiativen jenseits der etablierten Politik treten
kaum in Erscheinung. „Einige unserer Mitglieder haben es zunächst
sogar begrüßt, dass der Kanzler einen Ethik-
rat einrichten will“, erzählt Rolf Lorenz von der Tübinger
Initiative gegen die geplante Bio-
ethik-Konvention. „Es fehlt einfach an Informationen. Wer nur aus den
Medien von dem Gre-
mium erfährt, kann sich nicht vorstellen, welche Fußfallen
in Berlin lauern.“ Immerhin beschäftigte sich jetzt der Petitionsausschuß
des Bundestages mit dem Ethikrat, weil es in
den vergangenen Wochen eine Reihe von Protestbriefen gegen die Vorgehensweise
des
Kanzlers gegeben habe.
Dass die wenigen kritischen Stimmen der von Standortlogik und Globalisierungsdiskurs
bestimmten Bio-Politik der Schröder-Regierung im Weg sein können,
ist zu bezweifeln. Der
Schulterschluss der Liberalisierer in den letzten Monaten hat dazu
geführt, dass die Bewer-
tung der Biowissenenschaften ausschließlich vor dem Hintergrund
ihrer ökonomischen Potenziale wieder überall Hochkonjunktur hat.
Zwar wird Ethik von vielen KritikerInnen der Biomedizin trotz Bioethik,
Utilitarismus oder Lebensschutz immer noch als Kontrapunkt zu
dieser Biopolitik empfunden. Solange die kritische Öffentlichkeit
sich aber an Personalfragen
abarbeitet, kann Ethik auf das für die Tagespolitik Brauchbare
reduziert werden.
Von Uta Wagenmann – Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin
beim Gen-ethischen
Netzwerk und für den Bereich Gentests und Bioethik zuständig.
Fußnoten
(1) Am 2.Februar 2001, www. lifescience.de/news/article,
Stand: 27.03.01
(2) Quelle: www.bundesregierung.de/schwerpunkte/gentechnik
(3) Ebda.
(4) Ebda. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet
in ihrer Ausgabe vom 03.04.01,
dass die Kirchen mit Wolfgang
Huber von der Brandenburgischen Evangelischen
Landeskirche und Gerhard Fürst aus Tübingen
zwei Kritiker der Biomedizin für den
Ethikrat vorgeschlagen haben.
(5) Nationale Ethik-Gremien gibt es beispielsweise in
Frankreich, Italien oder Portugal
und in beinah allen osteuropäischen Ländern.
Auch auf der Ebene der Europäischen
Union agieren mehrere Expertenkommission für
Ethik.
(6) FAZ, 14.02.01
(7) Süddeutsche Zeitung, 16.03.01
(8) Der Spiegel, 12/2001, 19.03.01, S. 17
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