Forum Bioethik | Rede von Rechtsanwalt Frey am 13. 8. 2001 in Genf
Schriftlich ausgearbeitete Rede, die von Rechtsanwalt Alexander Frey, Mitglied des Forums und Sprecher des Arbeitskreises gegen Menschenrechtsverletzungen, am 13. 8. 2001 in Genf vor den Mitgliedern des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte gehalten hat. Anrede, in der Bundesrepublik Deutschland leben ca 400.000 Menschen in Pflegeabteilungen von Altenheimen. Mehr als die Hälfte dieser Bewohner ist psychisch krank oder altersdement. Untersuchungen der Medizinischen Dienste der Krankenkassen und die Recherchen einer Reihe von privaten Organisationen haben ergeben, dass in den Einrichtungen erhebliche Defizite bestehen: 1. Ca 85 % der Bewohner sind unterernährt, da für
das Pflegepersonal oft keine Zeit besteht, Hilfestellung beim Essen zu
leisten oder die Ernährung nicht altengerecht ist.
Zu Unrecht weist die Bundesregierung darauf hin, dass es sich hier um „bedauerliche Einzelfälle“ handeln würde und die Pflege insgesamt „optimal“ sei. Ein Pflegeschlüssel von 1: 2,8, der in der Bundesrepublik üblich ist, bedeutet, dass schwerstpflegebedürftige Menschen rund um die Uhr in 3 Schichten gepflegt werden. Bedenkt man Urlaub, Krankheit, Fortbildung usw. kommt man zu der Situation, dass 28 Schwerstpflegebedürftige von höchstens 2 oder 3 Personen gepflegt werden und die tatsächliche Pflege pro Person nicht einmal 1 Stunde am Tag beträgt. Unter diesen Bedingungen ist eine menschliche Pflege nicht möglich ! Die Bundesrepublik Deutschland hat ein Heimbewohnerschutzgesetz und ein Qualitätssicherungsgesetz vorgelegt, das jedoch keine Verbesserung bringen wird, da im Gesetz nicht geregelt ist, wie viel Personal künftig für wie viel Bewohner angestellt werden soll und wie viel Personal tatsächlich für jeden Bewohner vorhanden sein muss. Unwahr ist die von der Bundesregierung aufgestellte Behauptung, dass für die Pflege nicht genügend Geld da sei. Eine Personalvermehrung würde zu Einzahlungen in Sozialkassen, Entlastung der Arbeitsämter und Kommunen als Sozialhilfeträger führen. Allein die Kosten für Krankenhausaufenthalte von Bewohnern, die an Austrocknung und Decubitus auf Grund der ungenügenden Pflege leiden, geht in die Milliarden DM. Die Überbelastung des Personals führt zu einer Erhöhung des Krankenstandes und zu frühzeitiger Erwerbs- und Berufsunfähigkeit. Die Mehrkosten für Krankenkassen und Rentenversicherungen auf Grund der Überlastung des Pflegepersonals gehen jährlich ebenfalls in die Milliarden DM. Die Bundesregierung müsste verhindern, dass Heimbetreiber ohne angemessene Gegenleistung die Bewohner abkassieren. In der Bundesrepublik Deutschland werden täglich tausendfach die Tatbestände der Körperverletzung und Freiheitsberaubung erfüllt. Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist, gilt nicht in Altenheimen, in Altenheimen ist die Würde des Menschen antastbar. Nach Artikel 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland hat jeder das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die Bundesregierung schaut desinteressiert zu, wie diese Grundrechte verletzt werden. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten besagt, dass niemand einer unmenschlichen Behandlung unterworfen werden darf. Nach Artikel 11 des internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte soll jeder Bürger einen angemessenen Lebensstandard erhalten. Nach Artikel 12 erkennen die Vertragsstaaten das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit an. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland tritt die Grundrechte der Bundesrepublik Deutschland und die internationaler Vereinbarungen mit Füßen. Das Forum zur Verbesserung der Situation pflegebedürftiger alter Menschen in Deutschland bittet das Komitee über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte seine Besorgnis über die Lage von Menschen in Pflegeheimen in der Bundesrepublik Deutschland auszudrücken und darauf hinzuwirken, dass Menschen in Pflegeheimen in der Bundesrepublik Deutschland bis zu ihrem Tod menschlich und fachlich qualifiziert gepflegt werden. Alexander Frey
2. Schlussfolgerungen des Komitees
Bundesrepublik Deutschland (…) C. Hauptsächliche Sorgenpunkte (Beanstandungspunkte)
3. Aktion ab 17. 9. 2001 (nachlesbar unter www.verhungern-im-heim.de)
b) Schreiben Sie an den Deutschen Bundestag, Ausschuss für Menschenrechte, 11011 Berlin Platz der Republik 1 (Fax: 030/ 227-36051) und fordern Sie ihn auf, die Forderungen der UN in Genf in einer Bundestagssitzung allen Bundestagsmitgliedern vorzustellen und einen dringenden Maßnahmenkatalog aufzustellen, um die Pflegemissstände sofort abzustellen. Der Ausschuss soll Sie umgehend über die unternommenen Schritte informieren. |