Forum Bioethik Keine Chance für ABM- Kompromiss
Niederlage für US-Außenminister Powell

Die unmittelbar bevorstehende Kündigung der ABM- Rüstungskontrollverträge durch die US- Regierung beendet eine lange schwelende Debatte im Bush- Kabinett zu diesem Thema. Bis zuletzt war unter Kabinettsmitgliedern heftig umstritten, ob man sich die Folgen des Rückzugs aus den Abkommen leisten könne.
Kritiker der Entscheidung des Präsidenten, der am Freitag vergangener Woche den russischen Regierungschef Wladimir Putin in einem persönlichen Telefongespräch auf die Kündigungs- Depesche vorbereitet hatte, sehen nun nicht nur die Gefahr einer deutlichen Verschlechterung der Beziehungen zu Moskau, sondern auch einer Belastungsprobe mit den Nato- Verbündeten und neuer Aufrüstungsbestrebungen Chinas. Vor allem Außenminister Colin Powell habe zuletzt immer wieder gegen einen Rückzug aus dem Vertragswerk gekämpft, heißt es, und für einen ergänzenden Paragrafen plädiert, der umfangreichere Raketentests hätte ermöglichen können.
Zuvor hatte sich jedoch auch in monatelangen Verhandlungen zwischen Washington und Moskau, an denen Powell intensiv beteiligt war, keinerlei Kompromiss in der ABM- Frage abgezeichnet. US- Präsident Bush, der das Vertragswerk zuletzt immer wieder als „Relikt des Klaten Krieges“ belächelt hatte, geriet in den letzten Wochen angesichts der ehrgeizigen Testpläne des Pentagon für den umstrittenen Nationalen Raketen- Abwehrschirm immer mehr unter Zugzwang.
Bereits in rund sechs Monaten soll in Alaska, nachdem das Gelände schon entsprechend vorbereitet worden ist, mit dem Bau von fünf Raketen- Silos begonnen werden, die Bestandteil des neuen Weltraum- Abfangkonzeptes sein sollen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die USA dann formell gegen die ABM-Vertäge aus dem Jahr 1972 verstoßen. Nun greift man in Washington auf die sechsmonatige Kündigungsfrist des Vertragswerks zurück und hofft, dass die Reaktionen in Moskau deshalb moderat ausfallen, weil man den Partner des Abkommens ja intensiv auf einen solchen Schritt vorbereitet habe.
Wie zu erfahren war, hatte Putin zuletzt Bush auch signalisiert, dass man zu einer Modifizierung des Abkommens und zu einer Tolerierung umfangreicher Raketentests bereit sei, wenn das Weiße Haus im Gegenzug über jeden Schritt des neuen Abwehrsystems informiere und ein Mitspracherecht bei der Frage erlaube, welche Waffen letztlich zum Abfangen feindlicher Raketen eingesetzt würden. Dieses Ansinnen stieß jedoch bei den „Falken“ im Bush- Kabinett, darunter Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice, auf schroffe Ablehnung. Darum gab es auch beim jüngsten Treffen zwischen Bush und Putin keine Annäherung in dieser Frage.
Erste Stellungnahmen belegten gestern, dass es auch innenpolitisch massive Bedenken gegen den Kündigungsbeschluss gibt. Sogar Senats- Mehrheitssprecher Tom Daschle, der ein Raketen- Abwehrsystem nicht grundsätzlich ablehnt, sieht in der Aufgabe des Vertragswerks „einen Schlag ins Gesicht auch jener Menschen, die sich Jahre und Jahrzehnte für eine Rüstungskontrolle eingesetzt haben.“
Braunschweiger Zeitung, 13.10.2001

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